Zum Inhalt: Walter ist weg. Raus, verschwunden, ausgebrochen. Er hat alles stehen- und liegengelassen und dem gewohnten Leben den Rücken gekehrt. Zurück bleibt eine aufgewühlte Gesellschaft, die sich mit einer gänzlich neuen Situation auseinandersetzen muss: einer Leerstelle. Wo einst Walter war, ist nun Platz für Ratlosigkeit und Ärger, aber auch für Wünsche, Hoffnungen, Utopien und sogar regelrechte Hypes, die Walter zum Helden stilisieren. Denn schließlich könnte es doch sein, dass er es geschafft hat, sich den alltäglichen Zwängen eines von Reizen überfluteten Systems zu entreißen und nun im Einklang mit der Natur lebt – weit ab vom Gehetze der Arbeitswelt, frei von Konventionen und Abhängigkeiten. Was für die einen ein Traum, ist für die anderen ein Affront. Ist Walter nun Vorbild oder Verräter? Und wenn er ohnehin nicht mehr da ist‚ ‚ist‘ er dann überhaupt noch oder hat er durch sein Verschwinden längst seine komplette Daseinsberechtigung verspielt?
Mit: Lena Geyer, Ursula Grossenbacher, Lydia Stäubli, Gustav Schmidt und Klaus Zmorek
Inszenierung: Simone Blattner Bühne: Martin Miotk Kostüme: Andy Besuch Musik: Christopher Brandt Licht: Maximilian Urrigshardt Dramaturgie: Elisa Hempel
''Regisseurin Simone Blattner lässt die Figuren auf mehreren Bühnenebenen agieren. Mal stehen sie in witzigen Tableaus nebeneinander aufgereiht auf einer oberen Bühnenebene vor einer lichtdurchfluteten Sonnenuntergangskulisse, dann bewegen sie sich lebhaft auf einer meerartig in Blaufarben bemalten Bodenbühne. Rechts liegen verschiedene großformatige, grünfarbige Brocken und Theaterrauch kriecht unter Steinen hervor. Links steht ein künstlicher Baum mit weißfarbigen, riesenhaften Blüten (Bühne: Martin Miotk).
Die Figuren reden sich mit den Vornamen ihrer Darsteller an. Sie wechseln auf der Bühne fliegend farbenfrohe oder unförmige Kostüme. Alle glauben Walter mindestens so gut zu kennen wie sich selbst. Wie verwunderlich, dass er ihnen trotzdem abhanden ging. Sie echauffieren sich darüber mit leichtem Unmut; projizieren sogleich jedoch auch eigene Wünsche auf Walter. Alsbald vermag auch das Bedürfnis einer religiösen Anrufung Walters weder Halt noch Erkenntnis zu geben. Klaus Zmoreks Figur reagiert laut postulierend sichtlich eifersüchtig auf Walters Erfolg. Hat Walter etwa nur diesen Kultstatus, weil er nicht greifbar ist?
Die Figurenkonstellation bleibt unschlüssig und improvisiert. Es entwickelt sich nur oberflächlich eine Handlung. Trotzdem bereitet es sichtlich Vergnügen, den verschmitzt agierenden Darstellern - allen voran der betont dusslig dreinblickenden Lena Geyer - bei ihrer abwegig ziellosen Exkursion beizuwohnen. Das stete Voranschreiten der Zeit wird Thema, als jemand fragt, ob er nach einer Landung in Neuseeland nun zwölf Stunden jünger oder älter sei. Das Ticken der Uhren in unserer überhetzten und reizüberfluteten Welt sei ebenso wenig identitätsstiftend, wie die stetige, eintönige Arbeit an Bildschirmen, problematisieren die Figuren einstimmig. Wir sind alleine schon immer mehrere, philosophiert Ursula Großenbachers Figur rätselnd. Identität wird zugleich jedoch auch immer in Frage gestellt. Denn was ist eigentlich Walter alles? Ein Bauunternehmer, ein Rechtsanwalt, eine Design-Agentur?'' schreibt Ansgar Skoda am 7. Oktober 2018 auf KULTURA-EXTRA