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Zum Inhalt: Sechs Stammgäste, sogenannte „gescheiterte Existenzen“, und eine Wirtin philosophieren in einer Kneipe über das Menschsein. Schweindi und Hasi sind ein Paar mit ausgeprägtem Kinderwunsch. Der primitive Karli schlägt seine Frau, die verblühte Schönheit Herta. Dazwischen versucht der Pädagoge Jürgen als intellektuelle Spitze der Stammgäste, die Humanität aufrecht zu erhalten, während Fotzi sich durch das Zeigen ihres Unterleibs Kleingeld für die Musicbox verdient. Beobachtet werden sie von einem schönen Paar, das sich an den „göttlichen Idioten“ voyeuristisch weidet. Die Situation eskaliert.
Der 1994 früh verstorbene Grazer Autor Werner Schwab war in den 90er-Jahren der Shootingstar der Theaterszene. Er zeigt in „ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM“ wie Leute von der Sprache getrieben werden, sich verrenken und an ihr zerbrechen. Bei aller feiner Sprachkunst und entlarvender Komik wird ein tiefer Riss in unserer Gesellschaft deutlich.
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Zum Inhalt: Wenn wir schon die Realität nicht ändern können, dann doch wenigstens unsere Erinnerungen: Wie schön wäre es, wenn man den eigenen Lebensrückblick gestalten könnte? Anstatt das gelebte Leben erinnern zu müssen, könnte man auf das zurückblicken, was man gerne erlebt hätte. Was also darf man sich nicht entgehen lassen? Was gehört einfach zum Leben dazu? Auf einer »Bucket List« vermerkt man Dinge, die man gemacht haben möchte, »before kicking the bucket«, also bevor man den Löffel abgibt. Man möchte schließlich nicht am Leben vorbeigelebt haben! Und nun muss man sich angesichts neuer Forschung und Technologie fragen: Soll man die eigenen Erinnerungen verändern? Entstehen dadurch neue Probleme?Möglicherweise werden konfliktgeladene Konstellationen verschärft: Frühere Auseinandersetzungen und leidvolle Erfahrungen werden ohnehin gänzlich unterschiedlich erinnert.
Wie soll man sich gemeinsam auf Gewesenes einigen, wenn jemand seine Erinnerungen verändert hat? Möglicherweise erinnert der Körper manches besser als unser vergessliches Gehirn. Wie kann man sich Zugang zu diesen verschütteten Erinnerungen verschaffen? Musik ist nachweislich eine gute Mittlerin, um die Tiefen der eigenen Vergangenheit aufzuschließen und plötzlich längst Vergessenes zu erinnern
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Zum Inhalt: Für sein autofiktionales Stück »The Silence« geht der Autor und Theaterregisseur Falk Richter zurück in die eigene Familiengeschichte. Sein Vater verstarb, ohne dass eine versöhnliche Aussprache mit dem Sohn stattfinden konnte. Im Dialog mit seiner Mutter nimmt er jahrzehntelang nicht ausgesprochene Wahrheiten, verdrängte Geheimnisse und unaufgearbeitete Traumata in den Blick, die ihn bis zum gegenwärtigen Tag nicht in Ruhe lassen. Wie haben sich die Gräuel, die sein Vater im Krieg erlebte in die Familiengeschichte und in die Ehe seiner Eltern eingeschrieben, wie das Trauma der Vertreibung und Flucht der Mutter aus Westpreußen? Was wurde in der Familie jahrelang verschwiegen? Wie wuchsen der Autor und seine Schwester in der westdeutschen Provinz der Nachkriegszeit auf, wie konstruierte sich die Familie? Wie wurde die schon im Teenageralter sich abzeichnende schwule Identität des Autors von den Eltern unterdrückt und bekämpft? Wie wurde auf homophobe Anfeindungen reagiert, die er erlebte? Wie setzen sich Traumata, Schweigen und gewaltsame Unterdrückung in den eigenen Beziehungen des Autors fort? Die Auseinandersetzung von Mutter und Sohn wird zu einer Reise in die Abgründe der westdeutschen bürgerlichen Gesellschaft von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Wie verlässlich aber ist die eigene Erinnerung, wie glaubhaft die Lebenserzählung der Mutter? Und hätte alles nicht auch ganz anders sein können? Schon bald vermischt sich Autobiografisches mit Fiktivem, widersprechen Erinnerungen einander und tun sich Möglichkeiten anderer Realitäten auf. Im Spiel mit Autobiografie und Fiktion, in den Widersprüchlichkeiten der eigenen Geschichte keimt aber auch Hoffnung: Welche anderen Modelle von Männlichkeit, und damit andere Arten von Vater - und Elternschaft, sind möglich? Welche Formen von Beziehungen gibt es jenseits von patriarchaler Unterdrückung und Gewalt? Wie könnte ein ganz anderes Leben aussehen?
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Zum Inhalt: In der thüringischen Provinz sucht ein Kollektiv von Schauspielenden ein Thema für eine Vorstellung, die überregional möglichst viel Aufmerksamkeit bekommen soll. Da das schon eine Herausforderung ist, beschließen sie die »Hundekot-Attacke« eines Choreografen auf eine Kritikerin als Grundlage zu nehmen: Eine wahre Begebenheit, die einige Wochen durch die Medien ging und als Angriff gegen die Pressefreiheit und gegen die demokratische Kultur gewertet wurde. Während der Proben bekommen sie Angst, selber personae non gratae zu werden und geraten in einen Streit, der das Kollektiv zu sprengen droht.
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Zum Inhalt: In Theben hebt nach dem Ende des Pentheus und der Machtübernahme durch Labdakos, einem weiteren Enkel von Kadmos, eine Zeit voller Gewaltexzesse an. Schließlich wird Laios, der Sohn des Labdakos, aus dem Exil zurückgeholt und inthronisiert. Doch kommt er nicht allein, der junge Chrysippos aus Pisa begleitet ihn. Ist er der Grund für die Kinderlosigkeit des neuen Königspaares Laios und Iokaste oder ist es doch der Orakelspruch der Seherin Pythia? Schon taucht die nächste Kreatur vor den Toren der Stadt auf: die Sphinx, ein Tierwesen aus Löwe, Frau und Vogel, das die Stadt singend und rätselhaft in den mörderischen Wahnsinn treibt. In einem hochpoetischen und multiperspektivischen Monolog, der die verschiedenen Charaktere und Mythenvarianten über den Vater des Ödipus zu Wort kommen lässt, geht die Inszenierung der Frage nach, was das Paar Laios und Iokaste trotz des religiösen Verbotes dazu bewogen haben könnte, einen Nachkommen zu zeugen. Wie viel Verantwortung tragen die Eltern am Schicksal ihres Kindes Ödipus, das sie gleich nach der Geburt im Gebirge verschwinden lassen wollten? Wie viel Schuld wird von Generation zu Generation weitervererbt und wie viel Freiheit bleibt dem einzelnen, sich daraus wieder zu befreien?
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Zum Inhalt: Am Ende einer durchfeierten Nacht erleben zwei Geschwister, deren enges Verhältnis in der Kindheit durch ein Drama jäh zerstört worden war, einen besonderen Moment der Nähe. Nach zwanzig Jahren sind sie fähig den Zusammenbruch des Systems zu verstehen, das dieses traumatische Ereignis ermöglicht hat. Jetzt entwerfen die beiden Erwachsenen mit neuer Empfindungs- und Analysefähigkeit einen möglichen Handlungsspielraum und damit eine Zukunft.
Die Regisseurin und Choreografin Gisèle Vienne setzt mit dieser neuen Arbeit ihre ebenso bewegende wie rigorose Dekonstruktion des Wahrnehmungssystems in seinen gesellschaftlich geprägten narrativen und psychischen Strukturen fort. Hierfür erforscht sie gemeinsamen mit den Spieler:innen und Tänzer:innen Katia Petrowick, Adèle Haenel und Theo Livesey die Archäologie eines Moments der ganz besonderen Empfindung. Sie erfindet eine künstlerische Sprache, die es ermöglicht perzeptive Schichten der Erfahrung der Gegenwart auseinanderzufalten: Vergangenheit, Gegenwart, antizipierte Zukunft, Erinnerung und Wunschvorstellung.
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Zum Inhalt: Nathan der Weise, Lessings letztes und mit Sicherheit berühmtestes Stück, ist die Geschichte eines Scheiterns. In einer von Ab- und Ausgrenzungen bestimmten Gesellschaft im Kriegszustand, dem Jerusalem des Dritten Kreuzzugs, wird ein reicher jüdischer Kaufmann vor den Sultan gerufen, der dringend seine Kriegskasse auffüllen muss. Um festzustellen, ob Nathan dem muslimischen Kriegsherrn „freiwillig“ Geld zu leihen bereit ist oder ob man ihm sein „Gut und Blut“ mit Gewalt nehmen muss, legt ihm der Herrscher die Frage vor, welche der drei monotheistischen Religionen die „wahre“ sei. Nathan antwortet mit der berühmten Parabel von den drei Ringen, mit denen ein unschlüssiger Vater seine drei Söhne unabhängig voneinander als den ihm liebsten auszeichnet. Die Pointe des „Märchens“ besteht darin, dass wohl keiner der drei Ringe der echte, „wahre“ ist. Alle drei Religionen sind in diesem einen Punkt ununterscheidbar — in ihrer Entfernung von und ihrem Streben nach der Wahrheit. Die Geschichte ist ein Erfolg und der Sultan tief beeindruckt. Nathan „darf“ ihm daraufhin den zur Fortführung des Krieges dringend benötigten Kredit anbieten.
Die Erfahrung, die Nathan im weiteren Verlauf macht, ist allerdings eine andere. Im Konflikt um seine christlich getaufte und von ihm jüdisch erzogene Ziehtochter Recha vermitteln nicht Toleranz und gegenseitige Anerkennung zwischen den Ansprüchen der verschiedenen Religionen. Vielmehr müssen zufällige familiäre Verbindungen zwischen ihr, dem christlichen Tempelherrn und dem muslimischen Sultan für Versöhnung sorgen. Es ist keine Menschheitsfamilie, die sich da findet, denn der Jude gehört (wieder einmal) nicht dazu. Was die komplizierte Familienzusammenführung allerdings mit sich bringt, ist eine fundamentale Verunsicherung der Identitäten: Kaum eine der Hauptfiguren ist am Ende des Stückes noch die, die sie am Beginn zu sein glaubte. Diese Unsicherheit enthält ein starkes Argument gegen die nun als zufällig ausgewiesenen Ab- und Ausgrenzungen des Anfangs. Es hilft aber Nathan offensichtlich nicht, dessen Erzählung von den drei Ringen im Verlauf des Dramas ohne weitere Folgen bleibt.
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Zum Inhalt: Eine russische Gesellschaft im wirtschaftlichen Niedergang, die die toxischen Geister ihrer übermächtigen Vorväter nicht los wird, durch und durch militaristisch geprägt ist und von verlorener Größe träumt – Anton Tschechow feiert in seinem am Asowschen Meer geschriebenen Frühwerk, das unter dem Titel „Platonow“ bekannt geworden ist, den Abschied von einer untergehenden Welt: Die gesellschaftlich bestens situierte Anna Petrowna steht unerwartet vor dem wirtschaftlichen Ruin, in ihrem Landgut versammeln sich am Abend vor dessen Versteigerung lauter Menschen, die spielen, als gäbe es noch etwas zu gewinnen. Und niemand sieht die Katastrophen kommen.
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Zum Inhalt: Schottland, vor langer Zeit. Der Krieg ist vorbei. Macbeth und sein Freund Banquo kehren vom Schlachtfeld zurück. Sie haben gewonnen, sind voller Adrenalin, ihre Schwerter feucht noch vom Blut. Von überall hallt der Name Macbeth wider, schwirrt die Luft vor Geschichten, wie leicht ihm das Morden fiel. Macbeth dem Helden, Killer im Dienst vom König und Vaterland, fällt eine große Zukunft anheim. Seltsame Kreaturen sagen ihm das Königtum voraus. Was dafür benötigt wird, sind Handlungen, die im Blut baden. Macbeth soll nur auf den Blutdurst hören, der in ihm wohnt. Von seiner Frau ermutigt, mordet er sich seinen Weg zur absoluten Macht frei: zuerst den König, dann seine besten Freunde, dann ihre Familien inklusive ihrer Kinder. Die Voraussage der Hexen scheint erfüllt, zumindest teilweise. Die Freude der absoluten Macht aber fehlt. Macbeth und seine Lady werden von Schuldgefühlen und Reue verzehrt. Unabwendbar wird auch der zweite Teil der Voraussage sich erfüllen, wie unwahrscheinlich auch dessen Voraussetzungen sind. Von Freund und Feind verlassen, bleibt Macbeth nur eine Befreiung – die von sich selbst.
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Zum Inhalt: Die Natur erobert den Schiffbau! Pflanzen und sprechende Bäume wachsen in der Halle und bieten den Hobbits, Elbinnen, Zwerge, Zauberer, Menschen und Orks aus J.R.R. Tolkien's Der Herr der Ringe™ ein friedliches Zuhause. Doch die Ruhe trügt: Schon lange ist ein Ring in der Welt, um «sie alle zu knechten und ewig zu binden».
Über alle Unterschiede hinweg gründen die Held*innen des Theater HORA, des Helmi und des Schauspielhaus Zürich eine Gemeinschaft, um den Ring in den Flammen des Schicksalsberges in Mordor zu zerstören. Sie ziehen aus, um das Böse zu vernichten und das Gute hinter sich zu lassen. Denn niemand in dieser Gemeinschaft ist einfach nur böse und niemand einfach nur gut. Das wird deutlich, wenn man einander begegnet, um Feste mit viel Musik zu feiern und Schlachten mit viel Pathos zu schlagen.
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