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Die kahle Sängerin

Bewertung und Kritik zu

DIE KAHLE SÄNGERIN 
Anti-Stück von Eugène Ionesco
Regie: Anita Vulesica
Premiere: 18. November 2022 (Schauspielhaus Graz) 
Berlin-Premiere: 30. September 2023 
Deutsches Theater Berlin 

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Zum Inhalt: Der Titel mag gewöhnungsbedürftig sein, der Inhalt ist es keinesfalls. Ionescos "Anti-Stück" von 1948, das alle bis dahin geltenden Regeln des Theaters ignoriert und in dem nicht nur eine Wanduhr verrücktspielt, gilt als Gründungsdokument des Absurden Theaters, das in den 50er Jahren durch Samuel Beckett und andere berühmt wurde. Entstanden als Reaktion auf die Gräuel von Nazizeit und Zweitem Weltkrieg, postuliert das Absurde Theater in Form und Inhalt die Sinnlosigkeit als einzig sinnvollen Daseinszustand. Das Ergebnis dieser zutiefst melancholischen Bestandsaufnahme ist allerdings bei Ionesco höchst vergnüglich: Skurrile Figuren in humorvollen Situationen ergeben pralles Theater, in dem sich bizarre Dialoge in ein Feuerwerk aus sinnentleerten Phrasen und Nonsens-Sätzen steigern.

Die Handlung – wenn man das, was geschieht, so nennen darf – ist rasch zusammengefasst: Mr. und Mrs. Smith, die sich nach dem Abendessen gewaltig miteinander langweilen, bekommen Besuch von einem befreundeten Ehepaar, das bei seinem Auftritt erst einmal klären muss, ob sie einander kennen. Am Ende stellen die beiden erfreut fest, dass sie im selben Bett schlafen, verheiratet sind und ein Kind haben. Die Abendunterhaltung zu viert hingegen wird immer merkwürdiger: Das Dienstmädchen Mary glaubt, es sei Sherlock Holmes, ein Feuerwehrmann sucht einen zu löschenden Brand und stiftet dabei zusätzlich Verwirrung; was es nun aber mit der "kahlen Sängerin" auf sich hat, dürfen Sie selbst herausfinden.

Regie: Anita Vulesica
Bühne: Henrike Engel
Kostüme: Janina Brinkmann
Musik: Camill Jammal
Choreografie: Mirjam Klebel
Dramaturgie: Karla Mäder

2.0 von 5 Sterne
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Angestaubte Vorlage routiniert inszeniert
1 Jahr her.
Kritik

Vulesica ist hier natürlich keine Unbekannte: 2011-2017 war sie Ensemble-Mitglied an Uli Khuons DT und glänzte vor allem als Komödiantin, z.B. in Die Affäre Rue de Lourcine. Seitdem hat sie sich mehr auf ihre Professur am Mozarteum in Salzburg und eigene Regie-Arbeiten verlegt.

Das Handwerkliche stimmt auch in dieser „Die kahle Sängerin“-Inszenierung, die sehr auf Körperlichkeit setzt und den Slapstick ins Zentrum rückt. Dem Abend ist aber doch sehr deutlich anzumerken, dass Eugène Ionesco die Vorlage bereits 1950 geschrieben hat.

Sehr angestaubt wirkt dieser Versuch, die Fassaden des Bürgertums und die scheiternden Kommunikationsversuche der gehobenen Mittelschicht vorzuführen, die beim Abendessen von zwei Paaren nicht über Phrasen hinauskommen. Das aufgekratzte Premierenpublikum kichert schon bei den ersten kleinen Gesten, wild entschlossen, sich heute zu amüsieren. Dieses typisch nervös-künstliche Lachen ebbt zum Glück etwas ab, steigert sich aber am Ende zu donnerndem Applaus, da Vulesica die Stimmung mit einem Kunstgriff noch mal angeheizt hat.

Sie lässt das Stück knapp anderthalb Stunden so routiniert abschnurren, dass es problemlos auch in die Spielpläne von Ionesco-Fan Claus Peymann am Wiener Burgtheater oder Berliner Ensemble gepasst hätte. Auf der Zielgerade weicht sie an zwei entscheidenden Punkten von der Vorlage ab: Lars Lehmann, einer der Bühnentechniker am DT, schlüpft in die Rolle der titelgebenden „kahlen Sängerin“, die bei Ionesco ebenso ungreifbar und abwesend bleibt wie Godot bei Beckett. Zum Schluss reiht sich das ganze Ensemble an Mikrofonen an der Rampe auf, beschwört die Liebe und lädt das Publikum zum Mitsing-Kanon ein.

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