das gorki. theater des jahres. wer ist die zielgruppe der neuen marketing-mega-konzept-strategie? art-direktoren? ich bin schon bei "schwarze jungfrauen" genervt gewesen von der aufdringlichkeit der konstruierten offenheit. bei "erotic crisis" habe ich alle zehn minuten die sehnsucht nach der schaubühne unterdrückt, meinem theater nicht nur für ein jahr. regisseurin yael ronen (sternzeichen jungfrau) hat viele locken und viele ideen. so ist sie mit den akteuren durch berlin gestreift und hat sich sogar pornos und tantra-workshops angeschaut, freunde befragt, alles um den zeitgeist zu fühlen. in der ersten halben stunde wird die porno-keule geschwungen. schlagwörter, die keinen mehr schockieren. die hipster kichern.
auf der bühne zwei paare, die konstruiert wirken, und sich durch ihre problemchen der lustlosigkeit anstrengen (sie ist geil, er nicht, er gibt sich mühe, sie fühlt nix). dazwischen stakst eine magere kindfrau mit witwe-bolte-dutt (hipster 2014) herum und doziert ihren text. sie ist die nerdige singlefrau, die psycho-hackerin. eine figur, die ein lebloser baustein aus fiktiven biografien ist. die blasse mareike schnappt sich recht aggressiv rafael, der von kumari (das ist eine indische mädchengöttin, eine "susi" wäre natürlich zu gewöhnlich) ablehnung erfährt und holla es fallen die fummel und da stehen sie beide nackt und umarmen sich irgendwie und eh mal sowas wie intensität keimen kann, und darauf wartet man den ganzen abend lang, bricht die szene linkisch ab und das affärenpaar verendet statisch auf dem boden. hier frust. da frust.
am anfang gab es eine runde "wir erzählen euch jetzt unsere fantasien". die figuren maya und jan, kumari und rafael sind jetzt "schockierend" offen. jan trägt fetisch, plateuschuhe und einen pferdekopf aus plastik, durchscheinend. maya, die von orit nahmias gespielt wird, amüsiert mit einer fantasie, die wir sprachlich nur im ansatz verstehen. orit hat ansonsten das privileg ihren text auf englisch vorzutragen, den ganzen abend. ferne übertitel laufen. ja, wir sind weltoffen, ja, die weltstadt ist auch busy-englisch, aber im theater will nicht jeder den halben abend auf eine digi-wand schauen müssen. jedenfalls schließt dieses konzept gäste aus und lenkt zuschauerblicke weg.
das immerwieder-englisch kappt schubweise die verbindung zum stück. zuschauen, zuhören, wenig fühlen. es wird auch mal komisch, zum glück, und die akteure sind durchaus sympathisch, aber es verpufft im geschwätz.
orits selbstvertrauen ist stark (wer hat ihr eigentlich dieses fiese quergestreifte wallekleid rausgesucht?), sie führt die anderen irgendwie durch die szenen. doch ergibt sich kein paarwesen zu ihrem partner. was hat die beiden denn verbunden überhaupt? es gibt kein davor. es wird auch nicht nach gefragt. im nebensatz erfährt man, dass sie auch eltern sind.
das bühnenbild ist natürlich konzeptkunst, weiße betten werden hin und hergeschoben, zwei durchscheinende trennwände trennen mal hier und mal da. flatterhafter umbau, künstliches treiben. eine dynamik, die in den texten wieder einschläft.
mir tat fast rafael leid, bzw alaksandar, der als rafael einen monströsen saugnapf-gummi-pen*s in den händen hielt und nie wusste wohin damit und dann wurde es ordnungsgemäß derb und es waberte ein leichter krampf durch den monolog. von ihm zu uns.
ich fand die drei songs hypnotisch, die live performt wurden, schöne stimmen, ein sinnlicher bruch in den sonst fahrig aneinander gereihten szenen. ich fand die dralle orit mit den megalocken interessant in ihrer wucht. ich fand den abend definitiv zu lang, zu sehr mit heißer nadel gestrickt und zu bemüht in seinem anliegen intensiv sein zu wollen. intensität geht ganz anders. da muss man zum lehniner platz fahren.