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Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!

Bewertung und Kritik zu

LÄRM. BLINDES SEHEN. BLINDE SEHEN! 
von Elfriede Jelinek
Regie: Frank Castorf 
Premiere: 4. September 2021 
Akademietheater Wien 
Berlin-Premiere: 11. Juni 2022
Deutsches Theater Berlin 

Berliner Autor:innentheatertage (2022) 

Zum Inhalt: „Die Macht hat ein Auge auf uns geworfen.“ „Uns“ stehen in Elfriede Jelineks jüngstem Text die Gates, Kurz, Soros und Rothschilds, die Chinesen und die Amerikaner, die Götter und Zauberinnen gegenüber. Aber nicht mit Gleichgültigkeit, wie „wir“ lange dachten, nein, sie kümmern sich intensiv um uns. Sie haben eigens ein Virus in die Welt gesetzt, um uns zu dezimieren, sie haben Impfstoffe entwickelt, die uns zuverlässig töten werden, wahlweise jagen sie uns auch Mikrochips unter die Haut, um uns bei unseren letzten Zuckungen nicht aus dem Blick zu verlieren.
Keine Rede von Vertrauensverlust und wachsender Entfremdung zwischen „unten“ und „oben“. Intensiv, giftig und körperlich ist das Verhältnis zwischen den Göttern und den Erdlingen, zwischen Kirke und dem Häuflein überlebender Männer unter der Führung des Odysseus, die die Zauberin mithilfe einer unbekannten Flüssigkeit in Schweine verwandelt. Aber waren sie das nicht schon immer? Waren es nicht Männer wie Schweine, die wesentlich zur Ausbreitung des Virus über Ischgl hinaus beigetragen haben? Bis in die großen Schlachthöfe, in denen Schweine wiederum massenhaft zu Nahrungsmitteln verarbeitet werden? Die Pandemie, als mythensatte Schweine-Grippe betrachtet, führt bei Jelinek zu einem unverschnupften, klarsichtigen Text darüber, wie wenig wir unsere Lage verstehen (wollen) und über den Lärm, den wir dabei machen. „Sie sehen uns nicht, sie hören uns nicht, aber sie wollen uns zerstören.“

Mit Mehmet Ateşçi̇ / Marcel Heuperman / Dörte Lyssewski / Branko Samarovski / Marie-luise Stockinger / Andrea Wenzl

Regie: Frank Castorf
Bühne: Aleksandar Denić
Kostüme: Adriana Braga Peretzki
Musik: William Minke
Videodesign und Kamera: Andreas Deinert
Licht: Lothar Baumgarte
Dramaturgie: Sebastian Huber
Mitarbeit Künstlerische Produktionsleitung: Sebastian Klink

3.0 von 5 Sterne
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Ungewöhnlich fokussiertes Zeitdokument mit den üblichen Castorf-Manierismen
2 Jahre her.
Kritik
Nach 3,5 Stunden war an diesem Sommerabend schon Schluss. Castorf-Kenner reiben sich die Augen: wo bleiben die obligatorischen zwei Stunden, in denen ein Abend des Meisters völlig durchhängt, die Fremdtexte ausfransen und sich der Saal leert, bevor dann die letzten Getreuen nach Mitternacht hinaus wanken. So fokussiert und präzise war schon länger kein Abend des abgetretenen Volksbühnen-Heroen mehr. Zum Einstieg arbeitet er sich an Sebastian Kurz ab. Die wortgewaltigen Passagen, in denen Jelinek mit ihrem Regierungschef abrechnete und die Karin Beier in ihrer Hamburger Uraufführung wegließ, kostet Castorf für sein Wiener Publikum aus. Minutenlang wird er nur umschrieben, bevor Kurz dann in vielfacher, sich selbst widersprechender Ausführung in einer Videoschnipsel-Collage über die Leinwand flimmert und später noch als Pappmaché-Double über die Bühne stolpert. Die Pandemie ist in den Medien derzeit nur als Hintergrundrauschen präsent und trotz Empfehlung trägt nur noch eine Minderheit im Saal Maske, aber mit vielen treffend ausgewählten Querdenker*innen- und Impfgegner*innen-Zitaten ist der Abend, der bei den Autor:innentheatertagen an diesem Wochenende am Deutschen Theater Berlin gastiert, ein anregendes und wichtiges Zeitdokument, das die aufgeheizten Debatten der vergangenen beiden Jahre spiegelt. Weiterlesen
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