MICHAEL KRAMER in «Michael Kramer» I.

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    4. AKT

    Michael Kramer, seine Tochter Michaline und Lachmann 

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    KRAMER: (seine Tochter ein wenig festhaltend) Leb wohl, gutes Kind! Dich verdrießt's ja auch nicht. Du bist wohl die nüchternste von uns allen! – Nein, nein, Michaline, so mein' ich das nicht. Du hast einen kühlen, gesunden Kopf. Und ihr Herz ist so warm wie irgendeins, Lachmann. Michaline weint stärker. Aber höre: Bewähre dich nun auch, Kind. Nun müssen wir zeigen, wie weit wir Stich halten. (Michaline faßt sich resolut, drückt ihm die Hand und hernach auch Lachmann, dann geht sie.) Lachmann, wir wollen die Lichter aufstecken. Machen Sie mal die Pakete auf. – Sich selber der Arbeit unterziehend. Leid, Leid, Leid, Leid! Schmecken Sie, was in dem Worte liegt? – Sehn Se, das ist mit den Worten so: sie werden auch nur zuzeiten lebendig, im Alltagsleben bleiben sie tot. Er reicht Lachmann einen Leuchter, auf den er ein Licht gesteckt. So. Tragen Sie's meinem Jungen hinein. Lachmann begibt sich mit dem Leuchter in den verhangenen Teil des Raumes. Kramer, nun allein vor dem Vorhang, spricht laut weiter. – Wenn erst das Große ins Leben tritt, hörn Se, dann ist alles Kleine wie weggefegt. Das Kleine trennt, das Große, das eint, sehn Se. Das heißt, man muß so geartet sein. Der Tod ist immer das Große, hörn Se: der Tod und die Liebe, sehn Se mal an. Lachmann kommt wieder nach vorn. Ich bin unten beim Herrn Direktor gewesen, ich habe dem Manne die Wahrheit gesagt, und weshalb sollt' ich denn lügen, hörn Se?! Mir ist jetzt durchaus nicht danach zumut. Was geht mich die Welt an, möcht' ich bloß wissen! Er hat sich ja auch drüber weggesetzt. – – – Sehn Se, die Frauen, die wollen das. Der Pastor geht dann nicht mit ans Grab, und da hat's eben nicht seine Richtigkeit. Hörn Se, mir ist das ganz nebensächlich. Gott ist mir alles. Der Pastor nichts. – Wissen Sie, was ich heut morgen gemacht habe? Lieblingswünsche zu Grabe gebracht. Still, stille für mich. Ganz stille für mich, sehn Se. Hörn Se, das war ein langer Zug. Kleine und große, dick und dünn. Jetzt liegt alles da wie hingemäht, Lachmann. (...) Freiwillig, hörn Se –? Wer weiß, wo das zutrifft! – Sehn Se sich diese Skizzen mal an. Er kramt in seinem Rock und zieht aus seiner Brusttasche ein Skizzenbuch, das er vor Lachmann aufschlägt, nachdem er ihn ans Fenster geführt hat, wo man beim Abendlicht noch zur Not sehen kann. Da sind seine Peiniger alle versammelt. Sehn Se, da sind sie, so wie er sie sah. Und hörn Se, Augen hat er gehabt. – Das ist der wahrhaftige böse Blick, aber 's ist doch ein Blick! das will ich doch meinen. – – – Ich bin vielleicht nicht so zerstört, als Sie denken, und nicht so trostlos, wie mancher meint. – Der Tod, sehn Se, weist ins Erhabne hinaus. Sehn Se, da wird man niedergebeugt. Doch was sich herbeiläßt, uns niederzubeugen, ist herrlich und ungeheuer zugleich. Das fühlen wir dann, das sehen wir fast, und hörn Se, da wird man aus Leiden – groß. – – – Was ist mir nicht alles gestorben im Leben! Manch einer, Lachmann, der heute noch lebt. Warum bluten die Herzen und schlagen zugleich? Das kommt, Lachmann, weil sie lieben müssen. Das drängt sich zur Einheit überall, und über uns liegt doch der Fluch der Zerstreuung. Wir wollen uns nichts entgleiten lassen, und alles entgleitet doch, wie es kommt! (...) Als Michaline mich weckte die Nacht, da hab' ich mich wohl recht erbärmlich gezeigt. Aber sehn Se, ich hab' es da gleich gewußt. – Und wie er dann mußte so liegenbleiben, das waren die bittersten Stunden für mich. In dieser Stunde, wahrhaftigen Gott, Lachmann! – war das nun Läuterung oder nicht? –, da hab' ich mich selber nicht wiedererkannt. Hörn Se, da hab' ich so bitter gehadert: ich habe das selber von mir nicht gedacht. Ich habe gehöhnt und gewütet zu Gott. – Hörn Se, wir kennen uns selber nicht. Ich habe gelacht wie ein Fetischist und meinen Fetisch zur Rede gefordert: Da war mir das doch ein verteufelter Spaß, ein verteufelt nichtsnutziger Streich, sehn Se, Lachmann! sehr henkerhaft billig und salzlos und schlecht. – Sehn Se, so war ich. So bäumt' ich mich auf. Dann ... bis ich ihn dann in der Nähe hier hatte, da kehrte mir erst die Besinnung zurück. – – So was will einem erst gar nicht in den Kopf. Nun sitzt es. Nun lebt man schon wieder damit. Nun ist er schon bald zwei Tage dahin. Ich war die Hülse, dort liegt der Kern. Hätten sie doch die Hülse genommen.

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