KÖNIGIN ELISABETH in «Maria Stuart»

    1. Aufzug, 10. Auftritt 

    Königin Elisabeth allein 

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    ELISABETH: 
    O Sklaverei des Volksdiensts! Schmähliche
    Knechtschaft – Wie bin ich's müde, diesem Götzen
    Zu schmeicheln, den mein Innerstes verachtet!
    Wann soll ich frei auf diesem Throne stehn!
    Die Meinung muß ich ehren, um das Lob
    Der Menge buhlen, einem Pöbel muß ich's
    Recht machen, dem der Gaukler nur gefällt.
    Oh, der ist noch nicht König, der der Welt
    Gefallen muß! Nur der ist's, der bei seinem Tun
    Nach keines Menschen Beifall braucht zu fragen.
    Warum hab ich Gerechtigkeit geübt,
    Willkür gehaßt mein Leben lang, daß ich
    Für diese erste unvermeidliche
    Gewalttat selbst die Hände mir gefesselt!
    Das Muster, das ich selber gab, verdammt mich!
    War ich tyrannisch, wie die spanische
    Maria war, mein Vorfahr auf dem Thron, ich könnte
    Jetzt ohne Tadel Königsblut verspritzen!
    Doch war's denn meine eigne freie Wahl,
    Gerecht zu sein? Die allgewaltige
    Notwendigkeit, die auch das freie Wollen
    Der Könige zwingt, gebot mir diese Tugend.
    Umgeben rings von Feinden, hält mich nur
    Die Volkskunst auf dem angefochtnen Thron.
    Mich zu vernichten streben alle Mächte
    Des festen Landes. Unversöhnlich schleudert
    Der röm'sche Papst den Bannfluch auf mein Haupt,
    Mit falschem Bruderkuß verrät mich Frankreich,
    Und offnen, wütenden Vertilgungskrieg
    Bereitet mir der Spanier auf den Meeren.
    So steh ich kämpfend gegen eine Welt,
    Ein wehrlos Weib! Mit hohen Tugenden
    Muß ich die Blöße meines Rechts bedecken,
    Den Flecken meiner fürstlichen Geburt,
    Wodurch der eigne Vater mich geschändet.
    Umsonst bedeck ich ihn – Der Gegner Haß
    Hat ihn entblößt und stellt mir diese Stuart,
    Ein ewig drohendes Gespenst, entgegen.
    Nein, diese Furcht soll endigen!
    Ihr Haupt soll fallen. Ich will Frieden haben!
    – Sie ist die Furie meines Lebens! Mir
    Ein Plagegeist vom Schicksal angeheftet.
    Wo ich mir eine Freude, eine Hoffnung
    Gepflanzt, da liegt die Höllenschlange mir
    Im Wege. Sie entreißt mir den Geliebten,
    Den Bräut'gam raubt sie mir! Maria Stuart
    Heißt jedes Unglück, das mich niederschlägt!
    Ist sie aus den Lebendigen vertilgt,
    Frei bin ich, wie die Luft auf den Gebirgen.

    (Stillschweigen.)

    Mit welchem Hohn sie auf mich niedersah,

    Als sollte mich der Blick zu Boden blitzen!
    Ohnmächtige! Ich führe beßre Waffen,
    Sie treffen tödlich, und du bist nicht mehr!

    (Mit raschem Schritt nach dem Tische gehend und die Feder ergreifend.)

    Ein Bastard bin ich dir? – Unglückliche!
    Ich bin es nur, solang du lebst und atmest.
    Der Zweifel meiner fürstlichen Geburt,
    Er ist getilgt, sobald ich dich vertilge.
    Sobald dem Briten keine Wahl mehr bleibt,
    Bin ich im echten Ehebett geboren!

    (Sie unterschreibt mit einem raschen, festen Federzug, läßt dann die Feder fallen und tritt mit einem Ausdruck des Schreckens zurück. Nach einer Pause klingelt sie.)

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