GRETCHEN (MARGARETE) in «Faust - Teil 1» I.

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    11. Szene - Abend. Ein kleines reinliches Zimmer

    Gretchen allein.

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    GRETCHEN: (mit einer Lampe) 

    Es ist so schwül, so dumpfig hie (sie macht das Fenster auf)
    Und ist doch eben so warm nicht drauß.
    Es wird mir so, ich weiß nicht wie –
    Ich wollt, die Mutter käm nach Haus.
    Mir läuft ein Schauer übern ganzen Leib –
    Bin doch ein töricht furchtsam Weib! 

    (sie fängt an zu singen, indem sie sich auszieht.)

    Es war ein König in Thule
    Gar treu bis an das Grab,
    Dem sterbend seine Buhle
    Einen goldnen Becher gab.

    Es ging ihm nichts darüber,
    Er leert ihn jeden Schmaus;
    Die Augen gingen ihm über,
    Sooft er trank daraus.

    Und als er kam zu sterben,
    Zählt er seine Städt im Reich,
    Gönnt alles seinem Erben,
    Den Becher nicht zugleich.

    Er saß beim Königsmahle,
    Die Ritter um ihn her,
    Auf hohem Vätersaale,
    Dort auf dem Schloß am Meer.

    Dort stand der alte Zecher,
    Trank letzte Lebensglut
    Und warf den heiligen Becher
    Hinunter in die Flut.

    Er sah ihn stürzen, trinken
    Und sinken tief ins Meer,
    Die Augen täten ihm sinken,
    Trank nie einen Tropfen mehr.

    (Sie eröffnet den Schrein, ihre Kleider einzuräumen, und erblickt das Schmuckkästchen.)

    Wie kommt das schöne Kästchen hier herein?
    Ich schloß doch ganz gewiß den Schrein.
    Es ist doch wunderbar! Was mag wohl drinne sein?
    Vielleicht bracht's jemand als ein Pfand,
    Und meine Mutter lieh darauf.
    Da hängt ein Schlüsselchen am Band
    Ich denke wohl, ich mach es auf!
    Was ist das? Gott im Himmel! Schau,
    So was hab ich mein Tage nicht gesehn!
    Ein Schmuck! Mit dem könnt eine Edelfrau
    Am höchsten Feiertage gehn.
    Wie sollte mir die Kette stehn?
    Wem mag die Herrlichkeit gehören?

    (Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel.)

    Wenn nur die Ohrring meine wären!
    Man sieht doch gleich ganz anders drein.
    Was hilft euch Schönheit, junges Blut?
    Das ist wohl alles schön und gut,
    Allein man läßt's auch alles sein;
    Man lobt euch halb mit Erbarmen.
    Nach Golde drängt,
    Am Golde hängt
    Doch alles. Ach wir Armen!


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