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3. Akt
Phaidra und ihre Amme.
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PHAIDRA:
Trozensche Frauen, die ihr hier den äußersten
Vorsprung von Pelops' Inselland bewohnt, ich hab
In manchen Stunden langer Nächte nachgedacht,
Woher es, was das Leben uns zerrüttet, rührt.
Und Mangel an Erkenntnis scheint des Übels Grund
Mir nicht zu sein - denn richtige Einsicht und Verstand
Besitzen viele -, sondern so verhält es sich:
Das Recht und Gute wissen und erkennen wir,
Doch tun wir's nicht - die einen aus Bequemlichkeit,
Die andern, weil sie irgend andern Neigungen
Die Tugend opfern. Solcher Hang ist mannigfach:
Das ergötzlich Übel Plauderei und Müßiggang,
Die Scheu sodann, zwiefacher Art, bald gut und bald
Ein Druck des Hauses - wär uns ihr Verhältnis klar,
Nicht einerlei Buchstaben trüg, was doppelt ist.
Nachdem ich dies nun längst erkannt und eingesehn,
So gab es keinen Zauber, der zuschanden mir
Es machte, von Vernunft zurück mich gleiten ließ.
Nun höre ferner meines Handelns Weg und Plan.
Als Liebe mich verwundet', überlegt ich, wie
Ich's trüge schön und sittsam. So begann ich denn
Sofort zu schweigen und zu bergen meinen Gram.
Denn auf die Zung ist kein Verlaß, die's wohl versteht,
Zurechtzuweisen andrer Menschen Handlungen,
Jedoch den größten Schaden stets uns selber tut.
Mein zweiter Vorsatz war, mit Ehren diesen Wahn
Zu tragen, ihn zu meistern durch Besonnenheit.
Zum dritten, als dies beides mir nicht frommte, um
Der Kypris obzusiegen, schien das Sterben mir
Das Beste: nichts wird diesem Entschluß widerstehn!
Mag meine Tugend leuchten vor der Welt, so wie
Ich wenig Zeugen wünsche, wo ich Übles tu.
Die Sache kannt ich, daß die Sünd Unehre bringt;
Als Weib noch vollends war ich, wie leicht einzusehn,
Ein Greuel allen. Hätte Schand und Tod doch gleich
Das Weib verderbt, das je zuerst mit fremdem Mann
Die Eh befleckte! Und von edlen Häusern ging
Zuerst der Untat Übung aus dem Fraungeschlecht!
Denn wenn das Laster erst den Edlen wohlgefällt,
So dünkt's natürlich auch gemeinen Menschen schön.
Abscheulich sind die, welche keusch in Worten tun
Und schnöden Frevel frech verüben insgeheim.
Wie nur ist's möglich, hehre Kypris, Königin,
Daß ihrem Mann ein solches Weib ins Auge sieht?
Und bebt sie vor dem Dunkel nicht, das Zeuge war?
Nicht vor den Zimmerwänden, daß sie reden einst?
Mich treibt ja eben dies zum Sterben, Beste, daß
Ich keine Schande meinem Gatten machen will
Noch meinen eignen Kindern. Nein, sie sollen frei
Gedeihn durch Hochsinn, lebend in der stolzen Stadt
Athen, von seiten ihrer Mutter nicht beschimpft!
Denn sei ein Mann auch kühnen Muts, ihn knechtet's, wenn
Ihm Schande von den Eltern irgend ist bewußt.
Dies eine, sagt man, ringt den Preis dem Leben ab,
Der Ehr und Tugend Streben, wem es innewohnt.
Den Lasterhaften offenbart früh oder spat
Die Zeit, wie jungen Mädchen einen Spiegel ihm
Vorhaltend. Und von solchen will ich ferne sein!





