JOHANNA in «Die Jungfrau von Orleans» II.

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    1. Aufzug, 4. Auftritt 

    Johanna, Karl, Erzbischof und Dunois

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    JOHANNA: 
    Ehrwürdger Herr, Johanna nennt man mich,
    Ich bin nur eines Hirten niedre Tochter
    Aus meines Königs Flecken Dom Remi,
    Der in dem Kirchensprengel liegt von Tour
    Und hütete die Schafe meines Vaters
    Von Kind auf- Und ich hörte viel und oft
    Erzählen von dem fremden Inselvolk,
    Das über Meer gekommen, uns zu Knechten
    Zu machen, und den fremdgebornen Herrn
    Uns aufzuzwingen, der das Volk nicht liebt,
    Und daß sie schon die große Stadt Paris
    Innhätten und des Reiches sich ermächtigt.
    Da rief ich flehend Gottes Mutter an,
    Von uns zu wenden fremder Ketten Schmach,
    Uns den einheimschen König zu bewahren.
    Und vor dem Dorf, wo ich geboren, steht
    Ein uralt Muttergottesbild, zu dem
    Der frommen Pilgerfahrten viel geschahn,
    Und eine heilge Eiche steht darneben,
    Durch vieler Wunder Segenskraft berühmt.
    Und in der Eiche Schatten saß ich gern,
    Die Herde weidend, denn mich zog das Herz.
    Und ging ein Lamm mir in den wüsten Bergen
    Verloren, immer zeigte mirs der Traum,
    Wenn ich im Schatten dieser Eiche schlief.
    – Und einsmals als ich eine lange Nacht
    In frommer Andacht unter diesem Baum
    Gesessen und dem Schlafe widerstand,
    Da trat die Heilige zu mir, ein Schwert
    Und Fahne tragend, aber sonst wie ich
    Als Schäferin gekleidet, und sie sprach zu mir:
    »Ich bins. Steh auf, Johanna. Laß die Herde.
    Dich ruft der Herr zu einem anderen Geschäft!
    Nimm diese Fahne! Dieses Schwert umgürte dir!
    Damit vertilge meines Volkes Feinde,
    Und führe deines Herren Sohn nach Reims,
    Und krön ihn mit der königlichen Krone!«
    Ich aber sprach: »Wie kann ich solcher Tat
    Mich unterwinden, eine zarte Magd,
    Unkundig des verderblichen Gefechts!«
    Und sie versetzte: »Eine reine Jungfrau
    Vollbringt jedwedes Herrliche auf Erden,
    Wenn sie der irdschen Liebe widersteht.
    Sich mich an! Eine keusche Magd wie du
    Hab ich den Herrn, den göttlichen, geboren,
    Und göttlich bin ich selbst!« – Und sie berührte
    Mein Augenlid, und als ich aufwärts sah,
    Da war der Himmel voll von Engelknaben,
    Die trugen weiße Lilien in der Hand,
    Und süßer Ton verschwebte in den Lüften.
    – Und so drei Nächte nacheinander ließ
    Die Heilige sich sehn, und rief: »Steh auf, Johanna,
    Dich ruft der Herr zu einem anderen Geschäft.«
    Und als sie in der dritten Nacht erschien,
    Da zürnte sie und scheltend sprach sie dieses Wort:
    Gehorsam ist des Weibes Pflicht auf Erden,
    Das harte Dulden ist ihr schweres Los,
    Durch strengen Dienst muß sie geläutert werden,
    Die hier gedienet, ist dort oben groß.«
    Und also sprechend ließ sie das Gewand
    Der Hirtin fallen und als Königin
    Der Himmel stand sie da im Glanz der Sonnen,
    Und goldne Wolken trugen sie hinauf
    Langsam verschwindend in das Land der Wonnen.


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