Zum Inhalt: Mit der Frage „Ist die Lust eine Last?“ eröffnet er sein Interview mit Dolly Buster. Karl Lagerfeld fragt er:„Schämen Sie sich Ihrer Tränen?“ Henry Maske stösst er vor den Kopf mit der Bemerkung: „Aus Verzweiflung über die Existenz des Bösen schlagen sich Boxer gegenseitig die Köpfe ein.“ Und Alice Schwarzer provoziert er mit der Frage: „Soll ich mit Ihnen jetzt über Avocados reden?“ Der Gesprächskünstler André Müller interviewte alle, die prominent unter Verdacht standen, besonders interessant zu sein. Seine Interviewdramolette steuern direkt in den Privatwahnsinn der Gesprächspartner:innen - und zu der großen Frage, die André Müller selbst umtrieb: Warum überhaupt leben, wenn man doch nur verzweifeln kann?
Mit: Matthias Lühn, Melanie Lüninghöner, Philipp Sebastian und Susanne Seuffert
Bearbeitung & Regie: Emanuel Tandler Kostüme & Bühne: Lara Hohmann Dramaturgie: Ulrike Janssen Regieassistenz: Kathrin Gölz Video André Müller vs. Alice Schwarzer: Alice Schwarzer ... Laura Sundermann Kamera & Konzept: Krzysztof Honowski Ton & Licht: Timothy Bidwell
''Ein eingespieltes Video der Regisseurin Sandra Riedmair porträtiert die wechselnden Müller-Darsteller bei einem Wortgefecht mit Alice Schwarzer (Videodarstellerin: Laura Sundermann). Schwarzer ist offensichtlich deutlich angriffslustiger als Harald Schmidt, über dessen Drögheit sich Müller enerviert auslässt. Elfriede Jelinek (Melanie Lüninghöner) spricht mit Müller über ihr Entsetzen als Jugendliche angesichts des Verbrechens des Nationalsozialismus; eine Art Selbstverachtung und Hassgefühle: „Dann muss ich mich selber hassen. Da hilft gar nichts. Der Hass ist mein Motor. Nicht hassen zu müssen, wäre für mich eine Erholung. Aber diese Erholung ist mir offenbar nicht gegönnt.“ Auch die Müller-Figuren werden mitunter von Selbstzweifeln angetrieben. Bald sehen sie zaudernd ihr Gesicht in einem Spiegel an und erklären in Wiederholungsschleife: „Kenne ich nicht. Wasche ich nicht.“
Das erfrischend absurde Stück über Eitelkeiten und intime Begegnungen interessiert sich insbesondere auch für die Person Müllers. Es werden Originalaufnahmen von Müller im Gespräch mit seiner Mutter eingeblendet. Man erfährt hier etwas über seine Kindheit und das schwierige Verhältnis zu seinem leiblichen Vater, ohne den er aufgewachsen ist. Auch gesangliche Einlagen bereichern den Abend. Melanie Lüninghöner singt berückend „The Sound of silence“ von Simon und Garfunkel. Später interpretiert das Darstellerquartett „Der Tod, das muss ein Wiener sein“ von Georg Kreisler und Topsy Küppers in Erinnerung an den österreichischen Journalisten Müller. Ganz kolossal. Der Rest ist Schweigen.'' schreibt Ansgar Skoda am 30. Januar 2022 auf KULTURA-EXTRA