Kritik
''Nina Wolf verkörpert die namenlos bleibende Erzählerin mädchenhaft und zerbrechlich in kurzer Jeans und im roten, armfreien Pullover. Ihre Figur lässt emotional eigene Gedankenwelten laut kreisen. Sie fragt sich, wo der Auslöser ihrer Krise gewesen sein könnte und warum sie sich in dieser Situation befindet. Sie widmet sich gedanklich den Unsicherheiten des Lebens, sinniert über das Altern und stellt sich existentiellen Verlusterfahrungen. Eine starke Szene ist es, wenn sie die mögliche Selbstlosigkeit ihrer Großmütter beklagt. Eine Großmutter habe über sie gesagt, sie sei kompliziert und benötige noch viel Zeit für sich selbst. Ihre Schwester sei dagegen „einfach“. Die junge Frau überlegt, ob das echtes Bedauern war, oder gar ein verstecktes Kompliment?
Weniger sensibel und nachdenklich wirkt hingegen ihr eigenwilliger Begleiter und regelmäßig auftauchendes Gegenüber, der spielfreudige Hase - Sebastian Reiß verkörpert ihn mit großen Hasenohren und später einer Hasenmaske. Er turnt um die Protagonistin herum, flachst ausgelassen. Er bietet der Ich-Erzählerin einen Lolli an und genehmigt sich selbst einen. Prompt beißt er seinen Lutscher ab und muss kurz schlucken. Er lenkt die Protagonistin ab, indem er ihr auch einen Fisch an einer Angelschnur oder ein Fernrohr reicht. Er konfrontiert sie dabei mitunter auch frech mit einer Sinnlosigkeit ihrer Reflexionen.
Über weite Strecken trägt Nina Wolf die Aufführung, wenn sie ihre Erzählerin sinnlich gestaltet und mal ebenso stimmungsvoll wie traurig ihren Kopf in einen Blumenkasten ablegt. Sie ergeht sich dabei in einem Strudel an Erinnerungen. Die textflächenartige Reise durch eine familiäre Vergangenheit ist von der Liebe zu den Großmüttern geprägt. Weniger spannend wird es, wenn die Erzählerin ihre Aufmerksamkeit liebevoll alleine dem Hasen zuwendet.
Maren Kames erzählt ihren im letzten Jahr auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises gelisteten Roman nicht geradlinig, sondern experimentell. Hier entsteht mit assoziativen Sprüngen, poetischen Einschüben, Wortspielen oder Wortwiederholungen ein erzählerisch origineller Sog. Auch Regisseur Marlon Otte arbeitet in seiner Bühnenfassung mit erzählerischen Sprüngen und fragmentarischen, scheinbar sinnfreien Wortkaskaden. Seine etwa 70-minütige, atmosphärisch reizvolle Inszenierung gibt nur einen kondensierten Einblick in den Kosmos des Romans. Zärtlich werden mögliche Realitäten des Erwachsenenlebens befragt, die neben äußeren auch innere Herausforderungen und Grenzen und womöglich auch einen Hasen als Ressource im Gepäck beinhalten können.'' schreibt Ansgar Skoda am 11. Dezember 2025 auf KULTURA-EXTRA