Kritik
Längst ist Dieter Hallervorden dem Komödienfach entwachsen, seine beiden jüngsten erfolgreichen Kinofilme "Sein letztes Rennen" und "Honig im Kopf" geben Zeugnis davon. Auch wenn er die Komödie nicht ganz an den Nagel gehängt hat, was er jüngst mit dem "Bürger als Edelmann" voller Verve gezeigt hat.
Auch in der aktuellen Inszenierung von Gerhard Hauptmann´s "Vor Sonnenuntergang" blitzt hier und da ein wenig von seiner Schalkhaftigkeit durch, allerdings bietet die Rolle des Familienoberhauptes Matthias Clausen wenig Gelegenheit zu Heiterkeiten, immerhin setzt ihm seine Familie kräftig zu. Meint sie doch, alle Berechtigung dazu zu haben, schließlich will der Vater die Firma verkaufen und das darf nicht hingenommen werden. Vor allem, weil die Bedrohung klar auszumachen ist: Eine deutlich jüngere Kindergärtnerin hat ihm den Kopf verdreht. Und auch wenn es dem Oberhaupt der Familie dadurch auffallend besser geht, nach dem Tod seiner geliebten Frau endlich wieder so etwas wie Lebensfreude in ihm aufkeimt, darf das Erbe keinesfalls in Gefahr geraten. Dieses Motiv eint die Geschwister und deren Partner in ihren Aktionen Clausen gegenüber, auch wenn die Qualität der jeweiligen Beziehungen zum (Schwieger-)Vater sehr unterschiedlich sind und überzeugend gespielt werden.
Die Geschichte kommt ohne Umschweife zum Wesentlichen, von Anfang an sind jede Menge negativer Schwingungen auf der weit nach hinten Raum gebenden und minimalistisch eingerichteten Bühne wahrnehmbar, die einzelnen Protagonisten haben Platz, sich zu bewegen. Oder auch mal verloren zu wirken. Oder sich in die Enge zu treiben, alles wird möglich.
Von Thomas Schendel in Szene gesetzt, nimmt die Inszenierung kontinuierlich an Fahrt auf, die Handlung wird zunehmend dramatischer. Einzig wenn der verzweifelte Clausen das Gemälde seiner verstorbenen Ehefrau zerstört, ist diese Handlung nicht nachvollziehbar, auch nicht als Übersprunghandlung. Schien die ehedem geführte Ehe doch glücklich gewesen zu sein, warum also sollte sich das Unglück Clausens, der kurz vor der Entmündigung durch seine Familie steht, ausgerechnet in einer aggressiven Handlung seiner ehemals geliebten Ehefrau gegenüber entladen?
Die Inszenierung holt sich am Premierenabend anhaltenden Beifall ab.