Bewertung und Kritik zu
UNDINE GEHT
nach Ingeborg Bachmann
Regie: Christina Deinsberger
Premiere: 12. Oktober 2022
Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin
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Zum Inhalt: Undine kommt aus dem Wasser, Hans aus der Siedlung. Beide verlassen ihr Element, um einander zu begegnen. Wer ruft und wer kommt, scheint stets verschieden; was geschieht, wenn sie aufeinandertreffen, bleibt ungewiss. Klar ist, dass sie aneinander scheitern – jedes Mal. Und es immer wieder neu versuchen: Jede ihrer Lieben ist ehrlich und vollkommen. Jede Enttäuschung, jeder Verrat ebenso. Laut dem Mythos der schaumgeborenen Undine, die, um eine Seele zu erlangen, aus dem Wasser kommt, bleiben nach dem Verrat nur der Verrätermord oder die Selbstauflösung. Doch was, wenn uns diese Optionen nicht mehr genügen?
Ingeborg Bachmann entwirft in ihrer poetisch verschlungenen Erzählung von 1961 nicht nur die Geschichte eines gescheiterten Liebespaares. Undine und Hans sind ebenso zwei Extreme in einem gemeinsamen Körper. Aufgespalten und abgetrennt voneinander, sich un-eins. Ihr Aufeinanderzu, ihr Verschmelzen ist Utopie – als Glitch, als fluide Störung im binären System – mit klarer Ansprechpartner: gegen das Patriarchat, gegen feste Rollenzuschrei- bungen, gegen ein kapitalistisches System der konstanten Produktion und der biologischen Reproduktion. Jede Utopie muss scheitern, und doch versuchen sie es immer wieder. Ein letztes Aufbäumen vor dem Gang ins Wasser. Undine fließt. Undine zerfließt. Undine geht.
Mit: Carolin Haupt, Renato Schuch
Regie: Christina Deinsberger
Bühne: Ulla Willis
Kostüme: Vanessa Sampaio Borgmann
Musik: Bertram Burkert
Dramaturgie: Angelika Schmidt, Marcus Peter Tesch
Licht: Diana Swieca