Zum Inhalt: Der Bühnenraum scheint sich durch das Lichtdesign zu erweitern und wieder zu verengen und verschluckt mitunter die selten stillstehenden Körper, lässt nur die weißen Gliedmaßen aufleuchten. Die 15 Tänzer*innen des Cullbergbaletten aus Stockholm haben sich das Bewegungsvokabular Jefta van Dinthers ganz zu eigen gemacht, sprechen mit Händen, Armen und Beinen, sind in der Vertikalen dem Boden mehr verhaftet als dem Streben nach Höhe. “Protagonist” ist eine Reflektion über die Menschheit, über Gemeinschaft und Individualität, über Held*innen und Herrscher*innen. In Liedern der Revolution und Tänzen der Evolution wird geschildert, wie Menschen sich versammeln, Rollen zugewiesen bekommen und übernehmen. Auf der Bühne nimmt nach und nach eine Gesellschaft Gestalt an, getragen von dem Verlangen nach Zugehörigkeit und der Suche nach einem gemeinsamen Sinn und einer gemeinsamen Überzeugung. Die Choreografie ist eine Parabel über Fürsorge, Verwandtschaft und Bündnisse, aber auch über Isolation, Kontrolle und Entfremdung. Zuletzt war der Choreograf und Tänzer Jefta van Dinther mit der Uraufführung von “Dark Field Analysis” im Rahmen von Tanz im August am HAU.
Mit: Adam Schütt, Anand Bolder, Camille Prieux, Daniel Sjökvist, Darío Barreto Damas (a.G.), Eleanor Campbell, Georges Hann, Suelem de Oliveira da Silva, Giacomo Citton, Katie Jacobson, Linda Adami (guest), Núria Guiu Sagarra, Sylvie Gehin Karlsson, Unn Faleide und Vincent Van der Plas
Choreographie & Regie: Jefta van Dinther Musik & Sounddesign: David Kiers Vocals: ELIAS Lichtdesign: Minna Tiikkainen Bühnenbild: SIMKA Kostümassistenz: Marita Tjärnström Text: Jefta van Dinther Assistenz Choreographie: Thiago Granato Probenleitung: Thomas Zamolo Künstlerische Beratung: Cecilia Roos, Felix Bethge und Robert Steijn Coach Stimme: Pia Olby
Zerfällt in zwei Teile mit beeindruckenden Bildern
6 years ago
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Kritik
Während der ersten halben Stunde der „Protagonist“-Choreographie versuchen die Tänzerinnen und Tänzer des schwedischen „Cullbergbaletten“, Halt zu finden. Sie verknäueln sich immer wieder zu kleinen Gruppen, die sofort auseinanderfallen. Die Individuen sind auf sich zurückgeworfen.
Wie schon bei früheren Arbeiten von Jefta van Dinther steuerte die finnische Lichtdesignerin Minna Tiikkainen eindrucksvolle Lichteffekte bei. Im Lauf des Abends drängen die Popsongs des Schweden Elias ins Zentrum. Die Zuckungen und Verzweiflungsgesten des Ensembles erleben ihren Höhepunkt, als er „We are falling“ singt und zu „Let´s make a revolution!“ aufruft. Die Tänzer erstarren wie zu Salzsäulen, die Bühne versinkt kurz im Schwarz, bevor der zweite Teil des Abends beginnt.
In einer Rückabwicklung der Evolution streifen die Tänzer ihre Kleider ab, imitieren Steinzeit-Menschen und Menschenaffen und verschwinden auf den Klettergerüsten im Hintergrund.
Das Problem dieser Choreographie, die 2016 in Amsterdam Premiere hatte und an diesem Wochenende am HAU in Berlin gastierte, ist, dass sie zu stark in zwei kaum verbundende Teile zerfällt. „Protagonist“ bietet einige starke Eindrücke, hat sich aber in einen sehr rätselhaften Kokon eingesponnen. Im Programmheft wird manches angedeutet (autobiographische Motive, eine Auseinandersetzung mit der Berliner Club-Szene), von dem an diesem eine Stunde kurzen Abend wenig zu entschlüsseln und zu spüren ist.
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''Die grandiosen TänzerInnen fangen improvisatorisch wie in einer Art von Aufwärmtraining an, erst haben sie wohl mehr jede(r) mit sich zu tun, dann tun sie sich allmählich auch noch für den "Rest" um sie herum interessieren; es bleibt erst mal, bis zur Hälfte dieses Stückes, völlig unklar, wohin eigentlich die Reise gehen soll...
Dann gibt es plötzlich einen auffälligen Ruhepunkt, wo alle - und frontal zu uns, dem sie besichtigenden Publikum - gewisse Zeit lang auf der Stelle stehen. Sie verändern ihre Körpersprachen, lassen jeweils eine ihrer Schultern hängen, winkeln einen ihrer Arme an etc. pp. Erst sieht es irgendwie nach körperlichen oder sogar geistigen Behinderungen aus, aber allmählich kriegt der "Film" rückspulenden und philosophisch übergreifenden Charakter, denn:
Wir werden einer gruppigen Metamorphose (Mensch zum Affen, Menschenaffe zum Affenmenschen) gewahr; das Alles sieht natürlich prima aus, auch weil sich alle nach und nach dann ausziehen...
Ja und der allgemein sich breit gemacht habende Nachäff'-Modus hat letzendlich ganz und gar obsiegt.
Licht aus.
Und danke auch, dass ihr extra deswegen hergekommen seid!'' schreibt Andre Sokolowski am 12. Januar 2018 auf KULTURA-EXTRA