Kritik
ende des 19. jahrhunderts. mr. puccini cruist in seinem schnellen wagen durch eine schöne italienische stadt und frollainwunder anno dazumal begegnet ihm, bevor er elvira traf, und verzückt sich schmiegend an seinen hinreißenden opern, bis der tod sie scheidet. aber wir sind ja 2017 und eigentlich bin ich so gern in der deutschen oper, heute aber mal nicht. und leide etwas wütend. puccini kämpfte mit dem kehlkopfkrebs, als er sich in sein letztes werk „turandot“ eingrub. lorenzo fioroni (inszenierung) scheint gern trockenes brot zu essen und paul zoller (bühnenbild) übergibt sich offenbar sofort bei fruchtigen sommerfarben. wir dürfen auf ein elendes bühnenbild starren. der zentralrat der deutschen demokratischen republik grüßt aus einem schaukasten (ach nein, es ist ja der kaiser von china) hoch über dem mürben volke. das sitzt auf nummerierten bestimmt unbequemen stühlen in der kulisse eines arbeitsamtes (oder ostdeutschen landarbeiter-kantinentreffs der 60er jahre) und trägt leblose karohemden, beigebraune hosen (das kann nur polyester sein) oder trutschige kleider inklusive uninspirierter frisuren. das publikum hat sich rausgeputzt, auf der bühne sollte dringend durch- und aufgeputzt werden. aber zu spät, paul zoller wollte den schlackefarbenen trübsinn und die botschaft dahinter ist mir total egal. mir bricht derweil mein romantisches pucciniherz. natürlich sind die rollen stark besetzt, natürlich liebt man den chor, aber das auge fühlt mit. der smarte bulgarische tenor kamen chanev überzeugt als in die eisige turandot verliebter calaf, der ihre drei faszinierenden rätsel überlegen lösen wird. turandot lässt lange auf sich warten. die britische matrone catherine foster bemüht sich schließlich auf die bühne. wagner-walküren-blond, was das bild der düsteren chinesischen medusa turandot erschüttert. das körpernahe brokatkitschkleid verbirgt nicht, dass die alterlose dame taillenfern von gott geschaffen wurde, turandot als steifes mannweib, unfassbar. einen kopf größer als ihr verehrer, zwei köpfe größer als der kaiserliche vater, absurd. sopranistin foster überwältigt stimmlich und man will sie sofort lieber nach bayreuth beamen. die minister ping, pang und pong kaspern sich vor turandots erscheinen durch die kulisse, das ist nicht komisch, das ist platt und auch mal zotig. man ditscht hühnerflügel in ketchup (die drei sitzen ja eh in einer bühnenkantine) und verkleidet sich albern als turandot, die überdreht penetriert wird. die stimmen der seltsamen drei durchdringen kaum das tapfere publikum. immer wieder dramatisiert sich der hemdsärmelige ärmliche chor in die szenen. liu, das unglücklich in calaf verliebte sklavenmädchen, trägt im wartesaal des grau-ens eine jacke mit aufgestickten flügeln und einen braunen faltenrock. ein hütchen wurde ihr ins haar geklemmt und ein täschchen gereicht. details, die auch nichts mehr retten können. der sopran der russin elena tsallagova hat so viel entzückende lieblichkeit, fosters sopran ist dagegen walküre frontal. dass calaf turandot nicht widerstehen kann und lui ignoriert ist bei der besetzung heute nicht zu begreifen. foster steckt im zweiten teil in einem hochzeitskleid, auch das sieht seltsam aus. am besten man schließe die augen und genieße die musikalischen traumwelten von giacomo. und sehne sich nach inszenierungen, in denen sich ein üppiges china farbenfroh und klassisch entfalten darf und die dame des stückes ihr wahres wesen verkörpert. puccini quälte sich bei seinem letzten werk mit zweifeln und depressionen. frollainwunder och.