Zum Inhalt: Abigail Williams hat mit einer Gruppe junger Frauen entgegen der strengen, religiösen Regeln Salems nachts im Wald getanzt. Um sich zu verteidigen, gehen sie auf das Gerücht ein, jemand im Dorf habe den Teufel beschworen – und so die Mädchen zu diesen heidnischen Tänzen verführt. Ein Gericht wird einberufen, das sein Urteil allein auf die Ausrufungen und Wahnszenen der Mädchen gründet. Wer gesteht, macht sich selbst zur Hexe und bestätigt das Gericht. Wer bei der Wahrheit bleibt, wird gehängt. Das Klima des Misstrauens und die Angst vor der gerichtlichen Willkür fördern die schlechteste Seite der Menschen in Salem zu Tage: Eifersucht, Machtgier und Rache befeuern die Beschuldigungen und Anklagen.
Hexenjagd basiert auf den Hexenprozessen von Salem, Massachusetts, die 1692 dort hunderte Leben forderten. Arthur Millers Bearbeitung entstand in Reaktion auf die Kommunistenverfolgung der so genannte McCarthy-Ära Anfang der 1950er Jahre in den USA. Mit dem ständigen Verdacht auch in den eigenen Reihen gäbe es verdeckte Kommunisten, konnte gegen sämtliche Oppositionelle mit unverhältnismäßig harten Mitteln vorgegangen werden – auch gegen bloße Sympathisant:innen und gegen viele Künstler:innen wurde ermittelt. So gelingt Miller mithilfe historischer Ereignisse die Beschreibung einer durch und durch gegenwärtigen Dynamik: öffentliche Debatten, die in Freund-Feind-Schemata, ideologische Verhärtungen und schließlich in gefährliche Radikalisierung kippen.
''Junge Mädchen in Schuluniform gebärden sich wie besessen und bringen bisher unbescholtene Bürger vor Gericht. Alte Männer spielen Autorität und wirken dabei doch nur lächerlich. Nach halbwegs Normalen sucht man hier fast vergebens. Das hätte durchaus Potential. Zu vermelden ist aber nur biederes Aufsagetheater, das man meint, der Geist von Claus Peymann wäre doch nicht ausgeräuchert geworden, wie von einem verflossenen Berliner Kulturstaatssekretär einst gefordert. Doch von allen guten Theatergeistern verlassen, wird hier leider fürchterlichste Schmiere geboten, was an Folter grenzt, von der im Stück auch mal die Rede ist. Der personelle Aufwand und das Gedränge auf der schmalen Bühne sind durch nichts zu rechtfertigen. Ein totales Missverständnis vom Begriff Genre und eine schlechte Parodie 70er-Jahre-Horrors à la Der Exorzist. Eher unfreiwillig komisch als bedrückend, unglaublich zäh und ermüdend. Eine Tortur, die einen nicht nur an der Vernunft der Menschheit zweifeln lässt. Aus menschlicher Verwirrung wird theatrale Verirrung.'' schreibt Stefan Bock am 7. Oktober 2021 auf KULTURA-EXTRA
Das dramatische Geschehen ballt sich auf dem engen Vorraum, aus dem es für die Spieler*innen kein Entrinnen gibt. Ein kammerspielartiger Thriller schwebte der slowenischen Regisseurin Mateja Koležnik vor, so gegensätzliche Regisseure von David Fincher und Ingmar Bergman nennt sie im Programmzettel als ihre Inspirationsquellen. Doch von deren Filmkunst ist an diesem knapp zweistündigen Abend wenig zu spüren. Koležnik liefert stattdessen – ähnlich wie bei Ibsens „Gespenster“ vor einem Jahr an selber Stelle – konservatives Stadttheater, das sich ganz in den Dienst der kanonischen Texte stellt und wie man es seit dem Ende von Claus Peymanns Intendanz in Berlin sonst kaum noch sieht.
Kostüme und Inszenierungsstil atmen den Geist der 1950er Jahre, in denen Arthur Miller „Hexenjagd“ über den Fanatismus in Salem im 17. Jahrhundert als Parabel auf seine Gegenwart der McCarthy-Ära schrieb. Was Koležnik und das Berliner Ensemble an diesem mehrere Jahrzehnte alten Text für die Gegenwart interessiert, wird nicht klar.
Zu sehr schnürt das enge Korsett, in das die Regisseurin und ihr Bühnenbildner den Abend spannen, die spielerischen Momente ein. Hektische An- und Abgänge prägen einen Abend, der dennoch ungewohnt statisch wirkt. Kaum eine Figur kann sich entfalten, zu gleichförmig bleibt die Tonlage der Dialoge.
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