Zum Inhalt: Die israelische Regisseurin Yael Ronen wendet sich nach ihrer Inszenierung „Point of No Return“ an den Kammerspielen nun dem „Starting Point“ zu und wird da nachlesen, wo vermeintlich alles begonnen hat: Das 1. Buch Mose, hebräisch Bereschit, altgriechisch Genesis genannt, beschreibt die Erschaffung der Welt. Es beschreibt Gott zunächst als den Regisseur, den Schöpfer, der die Welt erschaffen und geordnet hat (Gen. 1,1 – 1,3). Die mythischen Gleichnisse der Genesis sind vielfach und kontrovers interpretiert, gleichwohl sind sie die Wurzel der abendländischen Kultur. In ihrer Bildhaftigkeit und Symbolik erzählt die Genesis beispielsweise von der Erschaffung der Frau aus der Rippe des Mannes. Ist das schon die Wurzel einer patriarchalen Weltordnung? Und warum wird Gott gemeinhin als ein männliches Wesen wahrgenommen? Gemeinsam mit dem Ensemble untersucht Yael Ronen einzelne Fragmente der Genesis, um zu erkunden, auf welche Weise uns die biblischen Bilder geprägt haben und was sie uns heute bedeuten. Während die Genesis wie viele andere Mythen zur Orientierung und Identitätsfindung archaischer Kulturen diente, stützt sich die Inszenierung auf die Frage, welche Perspektive wir heute zu einzelnen Themen einnehmen und was aus der Welt geworden ist, die dem Menschen zu Beginn der Genesis überantwortet wird. Viele aktuelle Themen nämlich lassen sich bis zum Buch der Bücher zurück verfolgen: Naturbeherrschung, Geschlechterdebatte, Motive von Neid und Gewalt, bis hin zur der Frage, ob die Menschheit im Zuge technologischer Fortschritte im Begriff ist nach dem Baum des Lebens zu greifen. Die Version Yael Ronens und des Ensembles schlägt eine neue Perspektive auf einzelne Motive der Genesis vor und schreibt die Geschichte des Menschen, der Menschen auf der Bühne fort.
Mit Zeynep Bozbay, Daniel Lommatzsch, Wiebke Puls, Damian Rebgetz, Samouil Stoyanov, Jeff Wilbusch
Inszenierung: Yael Ronen Bühne: Wolfgang Menardi Kostüme: Amit Epstein Video: Stefano Di Buduo Musik: Yaniv Fridel, Ofer (Oj) Shabi Licht: Jürgen Tulzer Dramaturgie: Johanna Höhmann Künstlerische Mitarbeit: Niels Bormann
''Eine vor allem dank des Bühnenbildes visuell überwältigende Performance, deren anspruchsvolles Thema von seiten der Figuren mit viel Humor und Witz gebrochen wird. Das gelingt nicht immer. Doch diese Aufführung überzeugt stets, wenn sie die Schauspieler stumm einfügt in phantastische Tableaus, Spiegelungen, Projektionen. Wenn sie ganz Bild ist. Die Erhabenheit der Schöpfung braucht keine Worte.
Die israelische Regisseurin Yael Ronen lässt reden und räsonnieren, plappern und palavern von Gott und der Welt, von Macht und Mythos. Dabei geht es ihr wie so oft in ihren Arbeiten um Paarbeziehungen und Geschlechterrollen. Und sie wird ihrem Ruf gerecht, eine der lustigsten Frauen im deutschsprachigen Theater zu sein. Typisch für sie, dass sie auch diesen Text während der Proben zusammen mit ihren Darstellern erarbeitet hat. Realität und Fiktion mischen sich. So ereignen sich ergreifende Momente, wenn die Schauspieler ihre Suche nach dem Ursprung und dem Vaterprinzip mit persönlichen Erlebnissen verbinden. Wiebke, in einen Pfarrhaushalt hineingeboren, hatte Gottvater zu Hause. Wann fand die Ablösung statt? Wie ist sie verlaufen? Kann man sich einander wieder annähern? Aber ja: Knockin' on heaven's door...
Wir haben es derzeit übrigens auch gut. Wir brauchen an keine Türe zu klopfen, keine Klinke in die Hand zu nehmen, wenn wir trotz Corona besondere Theateraufführungen sehen wollen. Jeden Abend ab 18 Uhr stellen die Münchner Kammerspiele eine ihrer Aufführugen für 24 Stunden online. On demand. Danke, das ist toll!'' schreibt Petra Herrmann am 21. März 2020 auf KULTURA-EXTRA
Kabarettistische Nummernrevue und denkwürdiger Abschied
6 Jahre her.
The review are waiting to approve.
Kritik
Der zweiten Stückentwicklung von Yael Ronen, die sie wie üblich gemeinsam mit ihrem Ensemble für die Münchner Kammerspiele erarbeitet hat, wurde einiges vorgeworfen: zu disparat sei der Abend, zu viele lose Fäden habe er und inhaltlich komme er oft nicht über eine kabarettistische Nummernrevue hinaus. All das ist leider richtig.
Aber „#Genesis. A Starting Point“ hat trotz dieser berechtigten Kritik viel zu bieten, was diesen Abend sehenswert macht: Zuerst sind hier die kleinen Kabinettstückchen zu nennen, sympathische, präzise Miniaturen wie die Auftritte von Daniel Lommatzsch als Schlange.
Wer sich „#Genesis. A Starting Point“ entgehen lässt, verpasst außerdem die tolle Schluss-Szene, als Wiebke Puls zart zu „Knocking on heavens´s door“ ansetzt und das gesamte Ensemble einstimmt.
Denkwürdig macht „Genesis. A Starting Point“ vor allem der Anfang. Der Eiserne Vorhang ist noch runtergelassen und verstellt den Blick auf Menardis Paradies-Landschaft, die Kostüme von Gott, Adam, Eva und ihren Kindern sind noch unter Alltags-Klamotten versteckt. Rebgetz setzt zu einer Bilanz seiner Zeit an den Münchner Kammerspielen an, erzählt von den großen Hoffnungen, mit denen er aus Berlin kam und ins Ensemble einstieg. In nur wenigen Minuten beschreibt er das Unverständnis auf beiden Seiten, die Ablehnung des Münchner Publikums gegen Lilienthals Experimente an den Kammerspielen und seine Enttäuschung, die ihn jetzt wieder in die Arme seiner alten Geliebten Berlin, Münchens Dauerrivalin, treibt.
Die resignierte Publikumsbeschimpfung von Rebgetz ist der ungewöhnliche Auftakt einer Inszenierung und Kommentar zur emotional aufgeladenen, praktisch vom ersten Tag der Intendanz von Lilienthal an schwelenden Debatte, ob seine Vorstellungen von Theater, die er am Berliner HAU schärfte, ins konservativere München passen.
Gleich danach ergreift Wiebke Puls das Wort, preisgekrönter Publikumsliebling, ein vertrautes Gesicht und eine Konstante des Hauses. Sie ist schon seit 2005 im Ensemble an der Maximilianstraße engagiert, war schon in der Ära Johan Simons beim Theatertreffen zu sehen, wurde dort in diesem Jahr in der Ära Lilienthal mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet und versprach in „#Genesis. A Starting Point“, dass sie hierbleiben und weiter für ihre künstlerischen Vorstellungen kämpfen wird.
Weiterlesen