ASTROW in «Onkel Wanja» I.

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    1. Aufzug

    Astrow und Marina   

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    ASTROW: Ja … in zehn Jahren bin ich wohl ein anderer Mensch geworden. Überarbeitet hab' ich mich, Altchen. Vom frühen Morgen bis in die späte Nacht bin ich auf den Beinen, Ruhe kenn' ich nicht, und wenn ich des Nachts unter meiner Bettdecke liege, schwebe ich beständig in Angst, dass man mich wieder zu einem Kranken holen könnte. Solange wir uns kennen, hab' ich nicht einen einzigen freien Tag gehabt. Wie soll man da nicht alt werden? Und dann ist dieses Leben schon an sich so langweilig, so dumm, so schmutzig … anwidern muss es einen. Rings um dich nichts als Sonderlinge, lauter Sonderlinge; lebt man mit der Gesellschaft zwei, drei Jahre zusammen, wird man selber zum Sonderling, eh' man's merkt. Das unvermeidliche Los! (Dreht seinen langen Schnurrbart) Da – wie lang mein Schnurrbart gewachsen ist … was für ein dummer Schnurrbart! Ja, Altchen, auch ich bin ein Sonderling geworden! … Ganz verdummt bin ich, Gott sei Dank, noch nicht, das Gehirn ist immer noch auf seinem alten Fleck – aber die Empfindungen sind sozusagen abgestumpft. Ich habe keinen Wunsch, kein Bedürfnis, und ich liebe niemanden … Du bist vielleicht die einzige, die ich liebe. (Küßt ihren Kopf) In meiner Kindheit hatte ich auch eine Kinderfrau – ganz so war sie, wie du bist …

    MARINA: Möchtest du vielleicht was essen?

    ASTROW: Danke … In den großen Fasten neulich, in der dritten Woche, fuhr ich nach Malizkoje, wo eine Epidemie herrschte … Flecktyphus war's … In den Bauernhütten lag ein Kranker neben dem andern ... Alles voll Schmutz, voll Gestank, voll Rauch, Kälber und Ferkel lagen mit Menschen zusammen auf der Erde … Den ganzen Tag rannt' ich hin und her, nicht einen Augenblick Ruhe, nicht einen Tropfen zur Erfrischung. Dann komm' ich nach Hause, will mich verpusten – ja, läßt man mich denn dazu kommen? Da haben sie mir den Weichensteller ins Haus gebracht; ich leg' ihn auf den Tisch, um eine Operation an ihm vorzunehmen, und was passiert? Er stirbt mir unter den Händen, in der Narkose! Und wo ich's gerade am wenigsten brauchen kann, beginnt das Gefühl sich in mir zu regen. Und ich bekomme Gewissensbisse, als ob ich den armen Kerl absichtlich getötet hätte … Da saß ich nun, schloß die Augen und dachte so bei mir: ob wohl nach ein-, zweihundert Jahren die späteren Geschlechter, denen wir jetzt den Weg bahnen, auch nur ein freundliches Wort der Erinnerung für uns übrig haben werden? Was meinst du, Altchen?


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