TRIGORIN in «Die Möwe»

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    2. Aufzug

    Trigorin und Nina 

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    1466143 1466143 XlTRIGORIN: Was ist daran besonders schön? (Sieht auf die Uhr.) Ich muß gleich gehen und schreiben. Entschuldigen sie, ich habe keine Zeit … (Lacht.) Sie sind mir, wie man zu sagen pflegt, auf mein liebstes Hühnerauge getreten, und da beginne ich mich aufzuregen und ein klein wenig zu ärgern. Übrigens, ja, reden wir davon. Reden wir von meinem schönen, lichtvollen Leben … nun, womit fangen wir an? (Sinnt ein wenig nach.) Es gibt Zwangsvorstellungen, wenn der Mensch Tag und Nacht immer nur, sagen wir: an den Mond denkt. auch ich habe einen solchen Mond. Tag und Nacht quält mich ohne Unterlaß ein und derselbe Gedanke: ich muß schreiben, schreiben, schreiben, – Kaum habe ich eine Erzählung beendet, so treibt es mich sogleich wieder, eine neue zu schreiben, dann eine dritte, nach der dritten eine vierte … ich schreibe ununterbrochen, wie in einer ewigen Flut, und ich kann nicht anders. Was ist daran schön und lichtvoll, frage ich Sie? Oh, was für ein sinnloses Leben! Da sitz' ich nun hier mit Ihnen, bin in Aufregung – und werde dabei nicht einen Augenblick den Gedanken los, daß eine unbeendete Erzählung meiner harrt. Ich sehe die Wolke da, die wie ein Klavier aussieht, gleich denke ich: du mußt irgendwo in deiner Erzählung einflechten, daß eine Wolke am Himmel hinzog, die einem Klavier glich. Es riecht nach Heliotrop. Gleich muß ich mir einprägen: ein süßlicher Duft, Witwenfarbe, bei der Schilderung eines Sommerabends zu erwähnen. Ich belauere mich selbst und Sie bei jeder Phrase, bei jedem Wort und beeile mich, all diese Phrasen und Worte schleunigst in meiner literarischen Vorratskammer zu verschließen. Vielleicht kann ich sie mal brauchen. Hab' ich meine Arbeit beendet, so lauf' ich ins Theater oder geh' angeln, hier möcht' ich ausruhn, mich selbst vergessen – aber nein, im Kopfe rollt schon eine eiserne Kugel, ein neues Sujet, und zieht mich schon zum Tisch, und ich muß wieder schreiben und schreiben. Und so geht's in einem fort, in einem fort, und ich hab' keine Ruhe vor mir selbst, und ich fühle, wie ich mein eigenes Leben aufzehre, wie ich um des Honigs willen, den ich da für irgend jemand im weiten Raum sammle, den Staub von meinen schönsten Blumen abstreife und die Blumen selbst zerpflücke und ihre Wurzel zerreiße. Bin ich nicht ein Wahnsinniger? Behandeln mich meine Freunde und Bekannten etwa wie einen Gesunden? »Was haben Sie unter der Feder? Womit werden Sie uns beschenken?« Ewig ein und dasselbe, ein und dasselbe, und es ist mir, als ob diese Aufmerksamkeit der Bekannten, diese Lobsprüche, dieses Entzücken – als ob alles das nur Täuschung wäre, als belöge man mich wie einen Kranken, und ich fürchte bisweilen, sie könnten plötzlich von hinten an mich heranschleichen, mich packen und – mich ins Irrenhaus schleppen. Und in jenen Jahren, in meinen jungen, besten Jahren, da ich anfing zu schreiben, war die Schriftstellerei für mich ein einziges Martyrium. Der kleine Schriftsteller kommt sich, namentlich wenn er kein Glück hat, schwerfällig, ungeschickt, überflüssig vor, seine Nerven sind überreizt, verbraucht; unwiderstehlich zieht's ihn zu den Leuten, die mit Literatur und Kunst zu tun haben, und er umschleicht sie, von niemand beachtet, von niemand anerkannt, und fürchtet sich, den Leuten frei und offen in die Augen zu sehen, wie ein Spieler, der kein Geld hat. Ich kenne meinen Lehrer nicht, in meiner Vorstellung jedoch erscheint er mir, Gott weiß warum, feindselig und mißtrauisch. Ich fürchtete das Publikum, hatte eine Heidenangst vor ihm, und wenn ich ein neues Stück von mir zur Aufführung brachte, schien es mir jedesmal, als wären die Brünetten mir feindselig gesinnt und die Blonden kalt und gleichgültig. Oh, wie entsetzlich war das! Was für eine Qual!

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