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1. Akt, 5. Auftritt
Myrrha allein.
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MYRRHA:
Warum denn lieb' ich diesen Mann? Die Töchter
Der Heimat lieben Helden nur. Doch ich
Hab' keine Heimat mehr, die Sklavin hat
Ja Alles, nur die Ketten nicht, verloren!
Ich liebe ihn, dies ist das schwerste Glied
Der langen Kette – lieben und nicht achten!
Mög' es so sein! Bald kommt die Stunde doch,
Wo alle Lieb' er nöthig haben wird
Und keine trifft. Jetzt von ihm abzufallen,
Wär' niederträchtiger, als wenn ich ihn
Auf seinem Thron erdolcht, da er am höchsten –
Was groß gewesen wär' nach meines Volks
Gefühl; ich war für Beides nicht gemacht.
Könnt' ich ihn retten, liebt' ich ihn nicht mehr,
Nur mich; und dieses Letztre thut mir noth;
Denn seit ich diesen sanften Fremdling liebe,
Sank ich herab in meiner eig'nen Meinung.
Mich aber dünkt, ich lieb' ihn darum mehr,
Weil er verhaßt bei seinen Leuten ist,
Den alten Feinden unsres griech'schen Bluts.
Könnt einen jener Kraftgedanken nur
In seiner Brust ich wecken, wie sie selbst
Die Phrygier beseelt, als zwischen Meer
Und Ilium sie lange Zeit gekämpft,
Er träte nieder die Barbarenbrut
Und triumphirte noch. Er liebt mich, und
Ich liebe ihn, die Sklavin ihren Herrn,
Und möchte ihn von seinen Lasten gern
Befrein. Gelingt es nicht, so bleibt ein Mittel
Zur Freiheit noch, und kann ich ihn nicht lehren,
Wie man regiert, so kann ich zeigen ihm,
Auf welche Art allein ein Fürst den Thron
Verläßt. Nicht aus dem Aug' darf ich ihn lassen. (Ab.)





