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Szene: Agonie
Anatol und Max.
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ANATOL: Nie haben wir eine größere Sehnsucht nach Glück als in diesen letzten Tagen einer Liebe – und wenn da irgendeine Laune, irgendein Rausch, irgendein Nichts kommt, das sich als Glück verkleidet, so wollen wir nicht hinter die Maske sehen . . . Da kommen dann die Augenblicke, in denen man sich schämt, daß man alle die Süßigkeiten geendet glaubte – da bittet man einander so vieles ab, ohne es in Worten zu sagen. – Man ist so ermattet von der Angst des Sterbens – und nun ist plötzlich das Leben wieder da – heißer, glühender als je und trügerischer als je! – [...] Zu diesen Glücklichen gehöre ich nicht! – Das steht fest! – Ich bin stets ein Hypochonder der Liebe gewesen . . . Vielleicht waren meine Gefühle nicht einmal so krank, als ich sie glaubte – um so ärger! – Mir ist manchmal, als werde die Sage vom bösen Blick an mir wahr . . . Nur ist der meine nach innen gewandt, und meine besten Empfindungen siechen vor ihm hin. [...] Ach nein, ich beneide ja doch die andern! Weißt du – die Glücklichen, für die jedes Stück Leben ein neuer Sieg ist! – Ich muß mir immer vornehmen, mit etwas fertig zu werden; ich mache Haltestellen – ich überlege, ich raste, ich schleppe mit –! Jene andern überwinden spielend, im Erleben selbst; . . . es ist für sie ein und dasselbe. [...] Ist nicht auch das ein Glück –? – Sie haben wenigstens nicht dieses seltsame Gefühl der Schuld, welches ja das Geheimnis unserer Trennungsschmerzen ist. [...] Hatten wir nicht die Verpflichtung, die Ewigkeit, die wir ihnen versprachen, in die paar Jahre oder Stunden hineinzulegen, in denen wir sie liebten? Und wir konnten es nie! nie! – Mit diesem Schuldbewußtsein scheiden wir von jeder – und unsere Melancholie bedeutet nichts als ein stilles Eingeständnis. Das ist eben unsere letzte Ehrlichkeit! –





