DER DICHTER in «Der Bettler»

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    5. Akt, 1. Szene 

    Der Dichter allein. 

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    DER DICHTER: Wie lebe ich dies? Wie lebe ich die Erleuchtung? (Er hat die Kerze auf den Tisch rechts gestellt.) Mit dem ewigen Fernblick: welch einen Trostkreis hellte mir dieser Blitz auf, daß ich noch leben kann!? Ja, ein Blitz fuhr nieder und zerriß mein Erdreich! O Erlebnis! Nacht und Erlebnis; Nachterlebnis! Alle Tiefen hatten sich um mich gelagert, wechselweise mir ihren Kuß aufgepreßt, aber dann schleuderte sich der Blitz aus ihnen... er warf die Verkündung in mich... Lichtwort... Lichtmacht... O Segen des Blitzes! Seligkeit der Lichtmächte! O zitterndes Glück der Nähe Gottes, ewiger Kummer seiner Nähe! Wie soll ich leben, da mich dies verdammt –! (Er ist jetzt am Tisch rechts vorn und betrachtet das Manuskript.) Glücklich ist die Arbeit gearbeitet, schön geplant und mit Glück gefügt, ja, in welchem Glückstaumel kreiste oft die Feder! Nun kann kein Strich mehr daran geschehen... (Er blättert im Manuskript.) Ja, es ist unglücklich, es ist ohne Stille... Pfui, wie die Dirnen keifen! und dies! und dieses! Rohe Laute, roher Lärm, roh, aber ohne Leben! ohne Stille! ohne Ewigkeit! Wie ein Nilpferd: schwerfällig, trompetend, wälzt sich hier die Handlung durch ihre trüben Gewässer... Was ist Handlung!... Was ist wahrhafte Handlung!?... Sie hat keinen Ausdruck, nicht im Wort, denn sie ist schweigend, nicht in der schauspielerischen Gebärde, denn sie hat wohl Gebärde, aber unnachahmbare, nicht im Schaubild, denn sie bietet wohl ein Bild, aber es ist erfüllt von ewigen Beziehungen, von Regungen und tausend Seelen, die nicht wiederzugeben sind. Dies ist der Fluch!... (Stille.) Wie würde sich solche Handlung denken lassen? Ein Mädchen – – irgendwo im Wald rasten ein Mädchen und Jüngling. Irgendwie kamen sie sich auf der Wanderschaft entgegen. Nun ist es Nacht; es fällt ein Stern... und das Mädchen – nein, so nicht – es taumelt irgendwo ein Blatt vom Baum, das Mädchen blickt auf und indem sie aufblickt, trifft ihr Blick einen fallenden Stern am Himmel, glänzend fällt er. Und dieser Stern setzt sie so in Verwirrung, Erstaunen, Entzücken, ihre inneren Wesen recken sich unter ihm auf, sie tut einen leisen Schrei. Da hebt der Jüngling den Kopf und sieht sie an. In ihren Augen zittert jetzt all ihr Innentum, alles, was durch den Stern wachend wurde, und dieses zitternde Zeichen ihrer Mädchentiefen fährt in den Jüngling als Strahl und Verhängnis... Er wird diesen Blick nicht vergessen, der hat sich mit allen Tiefen in des Jünglings Tiefen gesenkt, dort ist er fürs Leben mit ihm verschwistert... Des Jünglings Leben steht nun unter diesem Blick und unter dieser Liebe, und so ward sein Schicksal. Aber wäre das Blatt nicht gefallen, hätte das Mädchen nicht emporgeblickt, wäre der Stern nicht gerade bei ihrem Aufschauen gestürzt, so wäre nichts geschehen. Nach kurzer Zeit wären sie auseinander gegangen und es wäre nichts geschehen. Wer kann es darstellen? Wer kann es darstellen, wie dieser Licht-Schwung einer trümmernden Welt durch Räume und Räume eilt und irgendwo eine Liebe stiftet und Seelen heilt... Wer kann es in Gebärde ausdrücken, wie ihre Mädchenseelen sich ins Auge drängen. wie dieser Blick sich ewig verankert in den Tiefen des Jünglings... Was geht da vor... ich sage verankern... Mädchentiefen... Hohle Symbole... das Eine, was vorgeht, ich fühle es in mir, brennend, das Unaussprechbare – (mit einer zerbrechenden Geste) es ist unaussprechbar. Keine Kunst kann es wirklich werden lassen... Was soll werden!... Der Fluch! der Fluch! Wie kann ich noch einen Vers niederschreiben, Gestalten setzen, Worte meißeln bei dieser Gewißheit, bei dieser Offenbarung...! Ja, es war der Blitz aus der Hand Gottes, denn nur Gott kann so unglücklich machen!!! (Sich windend.) Der Fluch... Die Verdammung... denn ich weiß – ach, ich weiß es so gewiß – diese Offenbarung wird mich nie verlassen, der Hunger nach aller Ewigkeit wird mich nie verlassen... und doch werde ich die Feder greifen und doch Worte dichten. Ich weiß es... ich fühle es, diese Macht läßt mich nicht, dieser Zwang zu den Symbolen... Warum... warum... Warum kann ich mich nicht lossagen von jeder Kunst, von dem, was sich Kunst nennt... Warum nicht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Hin zu einer Quelle im Wald, einsam mit dem Mädchen, des Morgens zur Sonne blicken, des Abends zur Sonne blicken, die silbernen Wasser mit Händen schöpfen, des Mittags im kühlen Silber baden und die weißen, reinen Mädchenbrüste küssen, keusch wie die Quelle küssen, und die Füße auf moosigen Steinen... Und Tag um Tag so, alle Tage so, Silber und Sonne und Mädchen und Ewigkeit... Ja, das wäre das Leben... (Niederbrechend.) O Glückseligkeit... Nur das wäre das Leben, strahlend rein – und nur so wäre es heilig... nichts anderes darf heilig genannt werden, keine Kunst darf heilig genannt werden, weil sie noch reden will... O Träne! Träne!... Glückseligkeit!... Das ewige Leben!!! Und es nicht leben können! Ich weiß ja, ich kann es nicht leben – oh Fluch! oh Fluch! zum Wort verdammt sein! Ja, ich bin zum Wort verdammt! Ich muß Bildner werden der Symbole, muß dem Priestertum entsagen... Künstler... Halbheiliger nur... Schein-Heiliger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Laß sinnen... sinnen... Symbole... (Jäh empor, mit Händen aufwärts.) Oh Trost des Blitzes... Erleuchtung... Schmerztrost des Blitzes... Symbole der Ewigkeit... Ende! Ende! Ziel und Ende! Wenn mich das Blut, die Summe der Unwirklichkeit, des Lärms, des Lärmen-Wollens in mir... in meinem Blut, wenn dieses verdammt, in Symbolen zu reden, so gilt es: Durch Symbole der Ewigkeit zu reden. (Erschöpft.) So wäre dies dann ein Ziel... Ein Wesen der Sendung – schmerzlich – schmerzlich, denn die Sendung bleibt – zwar schafft sie näher – aber die Sendung bleibt.

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