DER PFARRER in «Peer Gynt»

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    5. Akt, 3. Szene

    Der Pfarrer, die Gemeinde und Peer Gynt - Ein Kirchhof in einem hochliegenden Gebirgssprengel.

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    DER PFARRER: (spricht am Grabe.)
    Und nun, da seine Seele lichtwärts fliegt,
    Und leer sein Leib gleich einer Hülse liegt,
    Nun, liebe Freunde, sei davon gehandelt,
    Wie dieser Tote unter uns gewandelt.
    Er war nicht reich, nicht sonderlich von Gaben,
    Von Stimme schwach, unmännlich im Gehaben,
    Sein Wort kam weich und ungewiß heraus,
    Und schwerlich war er Herr im eignen Haus;
    Ins Kirchlein sah man ihn verlegen treten,
    Als wollt' er bitten: Laßt auch mich hier beten.
    Vom Gudbrandstal, Ihr wißt, war er gekommen.
    Er zog hier zu, beinahe noch ein Knab'; –
    Und Ihr besinnt Euch, daß er bis ans Grab
    Die rechte Hand nicht aus dem Rock genommen.
    Die rechte Hand im Rock, – dies Merkmal war es,
    Das diesen Mann von andern unterschied,
    Und dazu sein gedrücktes, sonderbares
    Benehmen, wenn er uns einmalnicht mied.
    Doch waren's stille Weg' auch, die er wählte,
    Und blieb er auch in unsrer Mitte fremd,
    So hat's uns doch zu wissen nicht gehemmt,
    Daß diese Hand nur vier der Finger zählte.
    [...] Drei Söhne hatte er, drei flinke Jungen;
    Zur Schule sollten die, und das war weit; –
    Der Anschluß an den Weg zudem bedungen
    Durch einen Felsenschacht, kaum mannesbreit.
    Wie half er sich! Der ältste mußt' sich placken,
    So gut es ging, und wo der Steig zu steil,
    Da nahm der Mann den Kletternden ans Seil;
    Die andern trug er hin auf Arm und Nacken.
    So stritt er Jahr um Jahr; sie wurden groß.
    Verschönte nun ihr Dank des Vaters Los?
    Drei reiche Herren in der Welt, der neuen,
    Vergaßen bald der Heimat und des Treuen.
    Er war von kurzem Blick. Was über seinen
    Bezirk ging, – von dem allen sah er nichts.
    Wie taube Schellen klang ihm, was für einen
    Der Unsern dröhnt wie Glocken des Gerichts.
    Volk, Vaterland, uraltgeheiligt Hehres,
    Stand wie im Nebel vor ihm, – Blendwerk, leeres.
    Doch Demut, Demut war in diesem Mann;
    Seit damals trug er schon an seinem Bann,
    So wahr als Scham auf seiner Wange brannte
    Und seine Finger in die Tasche bannte. –
    Ein Brecher des Gesetzes? Mag es sein!
    Doch etwas leuchtet über dem Gesetze,
    Wie dort des Berghaupts starrend Felsgestein
    Noch überkrönen lichte Wolkennetze.
    Ein schlechter Bürger war er. Unfruchtbar
    Für Staat und Kirche. Doch am Berg da droben,
    Wo er im engsten Kreis sein Glück gewoben,
    Dort war er groß, weil er er selber war; –
    Weil der ihm eingeborne Klang nie schwieg;
    Ein Klang, wie Geigen seufzen unterm Dämpfer.
    Und darum Friede Dir, Du stiller Kämpfer,
    Den schuf und brach des Bauern kleiner Krieg!
    Wir wollen Herz und Nieren nicht ergründen;
    Gott ziemt's allein, das letzte Licht zu zünden; –
    Doch dies ist meiner Hoffnung Stern und Kern:
    Der Mann steht kaum als Krüppel vor dem Herrn!

    (Das Leichengefolge trennt sich voneinander und geht. Peer Gynt bleibt allein zurück.)

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