Seite 2 von 4
Szene: Denksteine.
Emilie und Anatol.
Buch kaufen
EMILIE: Nein, Anatol . . . wie immer es sei, ich fluche jenem Tage nicht und verschmähe auch, dir vorzulügen, daß ich es jemals tat . . . Anatol, daß ich dich liebe wie keinen je – und so wie du nie geliebt worden – du weißt es ja . . . aber wenn auch jede Stunde, die ich je erlebte, durch deinen ersten Kuß bedeutungslos geworden – jeder Mann, dem ich begegnete, aus meinem Gedächtnis schwand – kann ich deswegen die Minute vergessen, die mich zum Weibe machte? [...] Ich kann mich der Gesichtszüge jenes Mannes kaum erinnern; ich weiß nicht mehr, wie seine Augen blickten – [...] Wie falsch du mich verstehst! . . . Da hast du freilich recht, wenn du meinst, wir sollten auseinandergehen . . . [...] Wie gut haben es doch die Frauen, die lügen können. Nein . . . ihr vertragt sie nicht, die Wahrheit . . .! Sag mir nur eines noch: Warum hast du mich immer darum angefleht? »Alles würde ich dir verzeihen, nur eine Lüge nicht!« . . . Noch hör ich es, wie du's mir sagtest . . . Und ich . . . ich, die dir alles gestand, die sich vor dir so niedrig, so elend machte, die es dir ins Angesicht schrie: »Anatol, ich bin eine Verlorene, aber ich liebe dich . . .!« Keine von den dummen Ausflüchten, die die andern im Munde führen, kam über meine Lippen. – Nein, ich sprach es aus: Anatol, ich habe das Wohlleben geliebt, Anatol, ich war lüstern, heißblütig – ich habe mich verkauft, verschenkt – ich bin deiner Liebe nicht wert . . . Erinnerst du dich auch, daß ich dir das sagte, bevor du mir das erstemal die Hand küßtest? . . . Ja, ich wollte dich fliehen, weil ich dich liebte, und du verfolgtest mich . . . du hast um meine Liebe gebettelt . . . und ich wollte dich nicht, weil ich mich den Mann nicht zu beflecken getraute, den ich mehr, den ich anders – ach, den ersten Mann, den ich liebte . . .! Und da hast du mich genommen, und ich war dein! . . . Wie hab ich geschauert . . . gebebt . . . geweint . . . Und du hast mich so hoch gehoben, hast mir alles wieder zurückgegeben, Stück für Stück, was sie mir genommen hatten . . . ich ward in deinen wilden Armen, was ich nie gewesen: rein . . . und glücklich . . . du warst so groß . . . du konntest verzeihen . . . Und jetzt . . . [...] Und jetzt jagst du mich eben wieder davon, weil ich doch nur bin wie die andern –





