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5. Aufzug, 4. Auftritt
Sophonisbe und Scipio.
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SOPHONISBE: Sieh,
Die Götter haben seltsam mich geführt.
Zu fürstlicher Geburt verliehn sie mir
Ein fürstlich Herz, das mein Verhängnis ward.
Denn hoch und einsam schlug's und zehrte, krank
An seines Reichtums unverwandter Fülle,
In Sehnsucht sich nach seinesgleichen auf.
So stürmt' ich ruhlos durch das Leben hin,
Stets suchend, stets getäuscht, bis ich zuletzt
An allem, was mir Ahnung einst geweissagt,
Trostlos verzweifelte. Da fand ich dich,
Und Wonn' und Schrecken kam auf meine Seele,
Denn meinen kühnsten Traum sah ich erfüllt.
[...] Mißversteh mich nicht! Ich bin
Nicht schamlos, Scipio. Nur weil ich Verzicht
Getan auf alles, darf ich alles sagen,
Und wie aus Wolken red' ich schon zu dir.
O wärst du in des Atlas rauhster Schlucht
Geboren statt am Tiberstrand, ich hätte,
Wenn du, wie heut, mir deine Freundschaft botst,
Mit keiner der Unsterblichen getauscht!
Nun ist's nicht so und ich vermag die Hand,
Die mir der Todfeind meines Volkes reicht,
Nicht zu ergreifen. Jener Wundervogel,
Von dem du sagtest, hat kein irdisch Haus;
Er lebt und stirbt im leichten Element.
Uns Staubgeborne aber zwingt der Bann
Der Heimat ewig, und der Pflicht des Blutes
Entäußert sich, ich fühl's, kein edler Geist.
Wie nur ein Weib je liebte, lieb' ich dich,
Doch wenn Karthagos goldne Zinnen du
Geschleift einst in das Meer wirfst, soll ich dann
Dir jauchzen? Soll ich ins Triumphgewand,
Das meiner Brüder Blut zum Purpur färbt,
Mit dir mich hüllen, und den Staub der Väter,
Von deines Wagens Zeltern aufgewühlt,
Der wahnsinntrunkenen Mänade gleich
Im Becher schlürfen? O ich müßte ja
Dir selbst zum Greuel werden. Drum fahr wohl!
Zieh deine stolze Bahn, wohin du mußt,
Und kränze dir die Stirn mit neuen Siegen!
Ich kann nicht los von meinem Vaterland,
Und meine Schuld zahl' ich ihm so –
(Sie ersticht sich.)