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Die weiße Fürstin und Monna Lara.
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DIE WEISSE FÜRSTIN: (nimmt ihre beiden Hände. Leise.)
Nun stell dir vor, der Traum ist nicht vorbei.
Sei tief im Traum, du Schlafende. Es sei
dein Traum und meiner. Hast du oft geträumt,
so weißt du auch, wie unberechenbar
der Traum uns trägt. Er wendet sich, er bäumt
sich auf und er ist voll Gefahr.
Er rennt und jagt, dann wieder steht er still
und will nicht weiter; und er zittert so
wie Pferde zittern, wenn von irgendwo
genau derselbe Reiter noch einmal
entgegenkommt, genau dasselbe Tier,
derselbe Herr darauf, verzerrt und fahl –.
So, nicht wahr, ohne Absehn träumen wir.
Du weißt, im Traume kann so vielerlei
geschehn. Und es kann so verwandelt sein.
Wie eine Blume lautlos schläfst du ein,
und du erwachst vielleicht in einem Schrei ...
[...] Und sind doch ewig in uns eingewebt.
Bedenk, ist irgend Leben mehr erlebt
als deiner Träume Bilder? Und mehr dein?
Du schläfst, allein. Die Türe ist verriegelt.
Nichts kann geschehn. Und doch, von dir gespiegelt,
hängt eine fremde Welt in dich hinein. (Pause.)
So lag ich oft. Und draußen war ein Wandern,
da nahte, da entfernte sich ein Schritt;
mir aber wars der Herzschlag eines andern,
der draußen schlug und den ich drinnen litt.
Ich litt ihn, wie ein Tier den Tod erleidet,
ich konnte keinem sagen, was mir war.
Aber am Morgen kämmten sie mein Haar,
und immer wieder ward ich angekleidet
für einen Tag –; mir schien es für ein Jahr.
Mir war, als ob das ganze Leben stände,
solang ich wachte; alles was geschah
fiel mir vorbei den Träumen in die Hände –
jetzt aber weiß ich: es ist dennoch da.
Die Welt ist groß, doch in uns wird sie tief
wie Meeresgrund. Es hat fast nichts zu sagen,
ob einer wachte oder schlief, –
er hat sein ganzes Leben doch getragen,
sein Leid wird dennoch sein, und es verlief
sein Glück sich nicht. Tief unter schwerer Ruh
geschieht Notwendiges in halbem Lichte,
und endlich kommt, mit strahlendem Gesichte,
sein Schicksal dennoch auf ihn zu.