WALLENSTEIN in «Wallensteins Tod» I.

    Bewertung: 5 / 5

    Stern aktivStern aktivStern aktivStern aktivStern aktiv
     

    1. Akt, 4. Szene 

    Wallenstein allein, mit sich selbst redend.

    Buch kaufen

    WALLENSTEIN: 
    Wär's möglich? Könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte?
    Nicht mehr zurück, wie mir's beliebt? Ich müßte
    Die That vollbringen, weil ich sie gedacht,
    Nicht die Versuchung von mir wies – das Herz
    Genährt mit diesem Traum, auf ungewisse
    Erfüllung hin die Mittel mir gespart,
    Die Wege bloß mir offen hab' gehalten? –
    Beim großen Gott des Himmels! Es war nicht
    Mein Ernst, beschloßne Sache war es nie.
    In dem Gedanken bloß gefiel e mir;
    Die Freiheit reizte mich und das Vermögen.
    War's Unrecht, an dem Gaukelbilde mich
    Der königlichen Hoffnung zu ergötzen?
    Blieb in der Brust mir nicht der Wille frei,
    Und sah ich nicht den guten Weg zur Seite,
    Der mir die Rückkehr offen stets bewahrte?
    Wohin denn seh' ich plötzlich mich geführt?
    Bahnlos liegt's hinter mir, und eine Mauer
    Aus meinen eignen Werken baut sich auf,
    Die mir die Umkehr thürmend hemmt!
    (Er bleibt tiefsinnig stehen.)
    Strafbar erschein' ich, und ich kann die Schuld,
    Wie ich's versuchen mag, nicht von mir wälzen;
    Denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens,
    Und – selbst der frommen Quelle reine That
    Wird der Verdacht, schlimmdeutend, mir vergiften.
    War ich, wofür ich gelte, der Verräther,
    Ich hätte mir den guten Schein gespart,
    Die Hülle hätt' ich dicht um mich gezogen,
    Dem Unmuth Stimme nie geliehn. Der Unschuld,
    Des unverführten Willens mir bewußt,
    Gab ich der Laune Raum, der Leidenschaft –
    Kühn war das Wort, weil es die That nicht war.
    Jetzt werden sie, was planlos ist geschehn,
    Weitsehend, planvoll mir zusammenknüpfen,
    Und was der Zorn und was der frohe Muth
    Mich sprechen ließ im Ueberfluß des Herzens,
    Zu künstlichem Gewebe mir vereinen
    Und eine Klage furchtbar draus bereiten,
    Dagegen ich verstummen muß. So hab' ich
    Mit eignem Netz verderblich mich umstrickt,
    Und nur Gewaltthat kann es reißend lösen.
    (Wiederum still stehend.)
    Wie anders! da des Muthes freier Trieb
    Zur kühnen That mich zog, die rauh gebietend
    Die Noth jetzt, die Erhaltung von mir heischt.
    Ernst ist der Anblick der Nothwendigkeit.
    Nicht ohne Schauder greift des Menschen Hand
    In des Geschicks geheimnißvolle Urne.
    In meiner Brust war meine That noch mein;
    Einmal entlassen aus dem sichern Winkel
    Des Herzens, ihrem mütterlichen Boden,
    Hinausgegeben in des Lebens Fremde,
    Gehört sie jenen tück'schen Mächten an,
    Die keines Menschen Kunst vertraulich macht.
    (Er macht heftige Schritte durchs Zimmer, dann bleibt er wieder sinnend stehen.)
    Und was ist dein Beginnen? Hast du dir's
    Auch redlich selbst bekannt? Du willst die Macht,
    Die ruhig, sicher thronende, erschüttern,
    Die in verjährt geheiligtem Besitz,
    In der Gewohnheit festgegründet ruht,
    Die an der Völker frommem Kinderglauben
    Mit tausend zähen Wurzeln sich befestigt.
    Das wird kein Kampf der Kraft sein mit der Kraft,
    Den fürcht' ich nicht. Mit jedem Gegner war' ich's,
    Den ich kann sehen und ins Auge fassen,
    Der, selbst voll Muth, auch mir den Muth entflammt.
    Ein unsichtbarer Feind ist's, den ich fürchte,
    Der in der Menschen Brust mir widersteht,
    Durch feige Furcht allein mir fürchterlich –
    Nicht, was lebendig, kraftvoll sich verkündigt,
    Ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz
    Gemeine ist's, das ewig Gestrige,
    Was immer war und immer wiederkehrt
    Und morgen gilt, weil's heute hat gegolten!
    Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht,
    Und die Gewohnheit nennt er seine Amme.
    Weh Dem, der an den würdig alten Hausrath
    Ihm rührt, das theure Erbstück seiner Ahnen!
    Das Jahr übt eine heiligende Kraft;
    Was grau für Alter ist, das ist ihm göttlich.
    Sei im Besitze, und du wohnst im Recht,
    Und heilig wird's die Menge dir bewahren.
    (Zu dem Pagen, der hereintritt.)
    Der schwed'sche Oberst? Ist er's? Nun, er komme.
    (Page geht. Wallenstein hat den Blick nachdenkend auf die Thüre geheftet.)
    Noch ist sie rein – noch! Das Verbrechen kam
    Nicht über diese Schwelle noch – So schmal ist
    Die Grenze, die zwei Lebenspfade scheidet!

    PDF-Datei: 29,95 € 23,95 €


    Weitere Formate auf Amazon & Play:
    Taschenbuch / Kindle: 39,95 €
    Google eBook: 29,95 €


    UNSERE BÜCHER ALS PDF-DATEI


    AUSWAHL

    AUF DER BÜHNE © 2024
    BUCH ALS PDF-DATEI

    Toggle Bar