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1. Aufzug, 1. Szene
Helena erst allein, dann mit Parolles.
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HELENA:
Ach, wär's nur das! des Vaters denk ich kaum;
Und jener Großen Träne ehrt ihn mehr
Als seiner Tochter Gram. – Wie sah er aus?
Vergessen hab ich ihn; kein andres Bild
Wohnt mehr in meiner Phantasie – als Bertram.
Ich bin verloren! Alles Leben schwindet
Dahin, wenn Bertram geht. Gleichviel ja wär's,
Liebt' ich am Himmel einen hellen Stern
Und wünscht' ihn zum Gemahl; er steht so hoch!
An seinem hellen Glanz und lichten Strahl
Darf ich mich freun; in seiner Sphäre nie.
So straft sich selbst der Ehrgeiz meiner Liebe:
Die Hindin, die den Löwen wünscht zum Gatten,
Muß liebend sterben. O der süßen Qual,
Ihn stündlich anzusehn! Ich saß und malte
Die hohen Brau'n, sein Falkenaug', die Locken
In meines Herzens Tafel, allzu offen
Für jeden Zug des süßen Angesichts!
Nun ist er fort, und mein abgöttisch Lieben
Bewahrt und heiligt seine Spur. – Wer kommt? –
(Parolles tritt auf.)
Sein Reisefreund. – Ich lieb ihn seinethalb
Und kenn ihn doch als ausgemachten Lügner,
Ein gut Stück Narr und eine ganze Memme.
Doch dies bestimmte Böse macht ihn schmuck
Und hält ihn warm, indes stahlherz'ge Tugend
Im Frost erstarrt. Dem Reichtum, noch so schlecht,
Dient oft die Weisheit arm und nackt als Knecht.





