Klassiker haben im Steglitzer Schlossparktheater durchaus Tradition. Der Kritiker erinnert sich, hier beispielsweise als Schüler am 27. März 1960 Tschechows „Drei Schwestern“ gesehen zu haben. Das kleine Schauspielhaus, das seit 1921 im heutigen Domizil residiert, war einst die assoziierte Bühne des großen Schillertheaters am Charlottenburger Ernst-Reuter-Platz. Nach dem Ende der Staatlichen Schauspielbühnen 1993 war sein Schicksal ebenso wechselvoll wie sein Spielplan. Seit Dieter Hallervorden 2008 die Verantwortung für das Steglitzer Theater übernommen hat, kommt immer mal wieder ein Klassiker auf die Bühne, vermischt mit Erfolgsstücken unserer Tage. Jetzt hatte Gotthold Ephraim Lessings Komödie „Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück“ in der Regie von Thomas Schendel dort Premiere. Lessing schrieb mit der 1767 uraufgeführten „Minna“ das bekannteste Lustspiel der deutschen Aufklärung und eine der wichtigsten Komödien der in diesem Genre eher knapp besetzten deutschen Literaturgeschichte.
Die Handlung spielt kurz nach Ende des Siebenjährigen Krieges im Jahre 1763. Major Tellheim (Oliver Mommsen) ist ein etwas sperriger Charakter in mißlicher Lage: verwundet, unehrenhaft aus preussischem Armeedienst entlassen (wegen eigentlich ehrenwerter eigener Widersetzlichkeit) und in seinem Ehrgefühl tief verletzt. Nun steigt er mit seinem Diener Just (Anton Spieker) in einem Berliner Gasthof ab, um dort den Ausgang seines Prozesses abzuwarten, in dem es um die Erstattung ihm zustehenden Geldes und die Wiederherstellung seiner Reputation geht.
Der ganze Gegenpol zu diesem angeschlagenen Charakterbild ist Tellheims Verlobte Minna von Barnhelm (Katharina Schlothauer), ein vermögendes, adeliges Fräulein mit thüringischem Landbesitz, überaus tatkräftig und mit unbeugsamem Lebensmut ausgestattet. Zusammen mit ihrer Vertrauten Franziska(Maria Steurich) macht sie sich ungeachtet der wirren Nachkriegszeit nach Berlin auf, um ihren Verlobten Major Tellheim zu suchen, dessen Spur sie in den kriegerischen Auseinandersetzungen verloren hat, die mit der Niederlage Sachsens und dem verlustreich erkämpften Sieg Preussens endeten.
Tellheims Selbstachtung bekommt den nächsten Dämpfer, als der Wirt des Gasthofs(Harald Heinz) ihn aus seinem Zimmer expediert, um einer adeligen Dame Platz zu machen, bei der es sich ausgerechnet um seine Verlobte handelt, deren er inzwischen aber nicht mehr würdig zu sein glaubt. In seiner äussersten Geldnot schickt er seinen Burschen Just zum Wirt mit dem Auftrag, seinen einst von Minna erhaltenen Verlobungsring zu Geld zu machen. Der Wirt zeigt diesen Verlobungsring nichtsahnend der inzwischen einlogierten Minna, die nun ihren Verlobten in der Nähe weiss. Schritt für Schritt hellt sich nunmehr der Himmel für Tellheim auf: sein früherer Wachtmeister Paul Werner (Oliver Nitsche) bietet ihm Geld an, was er aber ablehnt. Bei Minna wird ein radebrechender Franzose namens Riccaut de la Marlinière (Mario Ramos) vorstellig und luchst ihr eine Geldspende ab, die er am Spieltisch nutzbringend einsetzen will. Ganz nebenbei überbringt er die Botschaft, dass Tellheims Prozeß durch das Eingreifen des Königs einen günstigen Ausgang genommen habe, was später ein Feldjäger (Christian Hartmann) bestätigt.
Noch sind aber nicht alle Komplikationen beseitigt, und einen Augenblick lang sieht es sogar danach aus, dass Minna versucht hätte, die Verlobung zu lösen. Wie es sich aber für eine Komödie gehört, verziehen sich am Ende alle Wolken, die gegenseitige Zuneigung der Verlobten ist bestätigt, und einer glücklichen Zukunft beider steht nichts mehr im Wege.
Regisseur Thomas Schendel lässt den verdienstvollen Klassiker in flotter Folge spielen. Das Bühnenbild von Daria Kornysheva mit Brokat-Tapeten und einem Konterfei Friedrichs des Grossen an der Wand unterstützt ihn dabei ebenso wie die kleine Drehbühne, die einen raschen Szenenwechsel bei gleichbleibendem Rahmendekor ermöglicht. Die einzelnen Figuren werden individuell charakterisiert und geben dem Spielverlauf das nötige Kolorit. Oliver Mommsen gestaltet souverän den Sinneswandel des Majors vom zerknirschten Pechvogel zum wieder feurigen Liebhaber. Katharina Schlothauer gewinnt alle Sympathien für ihre überaus lebendige Studie einer liebenden jungen Frau. Maria Steurich gibt der Rolle der Franziska den ganzen Charme des einfachen Mädchens mit leicht sächsischem Akzent auf den Weg, das am Ende sogar den bewunderten Wachtmeister Werner in die Ehe entführt.
Lebhafter Premierenapplaus vom Publikum im vollbesetzten Theatersaal, dazu Blumen für den Regisseur und das Ensemble aus der Hand des Intendanten Dieter Hallervorden.
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