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Staatsschauspiel Dresden
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Theaterstraße 2 - 01067 Dresden
Telefon: 03 51.49 13-50
SPIELPLAN & KARTEN

Eines langen Tages Reise in die Nacht

Bewertung und Kritik zu

EINES LANGEN TAGES REISE IN DIE NACHT 
von Eugene O’Neill
Regie: Sebastian Hartmann 
Premiere: 29. November 2024 
Staatsschauspiel Dresden 

Zum Inhalt: O’Neills berühmtestes Stück, für das er 1957 mit dem Pulitzer-Preis für Drama ausgezeichnet wurde, ist ein Klassiker des 20. Jahrhunderts. In der an einem Tag spielenden Familiensaga sind in den vier Hauptfiguren exemplarische Erfahrungen des menschlichen Egoismus, des Versagens, des Lügens und der Sucht nach Verdrängen und Vergessen wie unter einem Brennglas gebündelt. Bis in die Namen der Figuren hinein spiegelt sich in dem 1941 vollendeten Stück, das erst 1956 posthum veröffentlicht wurde, die eigene Lebensgeschichte des Autors wider, dessen Vater Schauspieler war.

Im Stück zeigt O’Neill in der Vaterfigur James Tyrone einen einst erfolgreichen, großen Schauspieler und kleinen Immobilienspekulanten, der aus Geiz seine Frau Mary in die Drogensucht abgleiten lassen hat. Auch ihre beiden Söhne scheitern beim Versuch, eigene Lebensentwürfe zu finden. Am Morgen dieses einen langen Tages, den O’Neill schildert, erhält die Familie Gewissheit, dass Edmund, der jüngste Sohn, unheilbar krank ist. Auch dafür gibt der ältere Bruder Jamie dem Vater die Schuld, der wieder einmal beim billigsten Arzt der Gegend geblieben ist, statt rechtzeitig für die notwendige medizinische Behandlung von Edmund zu sorgen. Jamie ist Schauspieler wie sein Vater, doch er ist erfolglos, hasst seinen Beruf und trinkt. Mary Tyrone verdrängt den Ernst der Lage um Edmund und versucht, allen vorzuspielen, dass sie selbst die Suchtabhängigkeit überwunden hat. In einem großen nächtlichen Finale brechen die Lebenslügen in sich zusammen. O’Neills Stück ist einerseits ein realistisches Abbild einer Familientragödie, anderseits ist es durchzogen von Melancholie, grimmigem Humor und dunkler Romantik. Hier setzt ­Sebastian Hartmann in einer neuen Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden mit seiner bildhaften Theatersprache an.

Regie und Bühne: Sebastian Hartmann
Kostüme: Adriana Braga Peretzki
Musik: Samuel Wiese
Choreografie: Rônni Maciel
Animation: Tilo Baumgärtel
Lichtdesign: Lothar Baumgarte
Dramaturgie: Jörg Bochow

3.5 von 5 Sterne
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Ausloten neuer Wege in der ersten Hälfte, Absturz nach der Pause
14 Tage her.
Kritik

Ungewöhnlich sind die ersten anderthalb Stunden dieser Auseinandersetzung mit Eugene O´Neill. Naturalismus ist natürlich weiterhin nicht die Sache von Hartmann und seiner Crew, der Untergang der Familie Tyrone in Rausch und Lebenslügen wird in Dresden selbstverständlich nicht so werktreu nachempfunden wie z.B. bei Andrea Breth am Burgtheater.

Aber überraschend ist, wie klar die Konturen der Figuren an diesem Hartmann-Abend sind. Statt assioziativer Bilder- und Nebelwelten, die von Versatzstücken aus dicken Wälzern wie Thomas Manns „Zauberberg“ oder Fjodor Dostojewskis „Der Idiot“ inspiriert sind, wird der Absturz dieser Familie auf erstaunlich zugängliche Art nacherzählt.

Einen besonderen Kniff erlaubte sich Hartmann aber doch: wie auch schon in früheren Inszenierungen  sampelt das Ensemble die einstudierten Szenen jedes Mal neu. Die Reihenfolge ist an jedem Abend anders, folgt nie der Vorlage von O´Neill, der Kern der Probleme und Reibungen zwischen den vier Familienmitgliedern wird auch so sehr deutlich.

Aus dem Ensemble ragt Cordelia Wege, Hartmanns Ehefrau, heraus: wie Chefdramaturg Jörg Bochow zu Beginn ankündigte, plagen sie momentan Rückenschmerzen, so dass ihre Bewegungen langsamer und eingeschränkt sind. Damit wird sie in der Rolle der morphiumsüchtigen Mutter noch stärker zum ruhenden Gegenpol zu den oft rennenden und schreienden Söhnen (Marin Blülle und Simon Werdelis) und dem Vater (Torsten Ranft). Komplett wird der Abend von Samuel Wieses Live-Musik und dem geisterhaft dazwischen schwebenden Tänzer Ronni Maciel, der den als Kleinkind verstorbenen Sohn verkörpert.

Bis zur Pause erleben wir einen hochklassigen Abend der Schauspielkunst, in dem Hartmann neue Wege ausprobiert und seinem vertrauten Stil dennoch treu bleibt. Diese Balance macht den Abend interessant. Die letzte Stunde ist dann nur noch ein fahriger Nachklapp: ein langes Solo von Ranft wird durch viel Nebelschwaden-Theater und assoziativen Leerlauf gerahmt. Hier kopiert sich Hartmann zu sehr selbst bis zur Selbstkarikatur.

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Am Staatsschauspiel Dresden löst Sebastian Hartmann Eugene O´Neills psychologisches Familiendrama assoziativ als Spiel der Körper auf
2 Monate her.
Kritik

''Aufgelockert wird diese Demonstration des Verfalls durch improvisiert wirkende Szenen, in denen das Ensemble aus den Rollen steigt und Requisiten verlangt, die von Bühnenarbeitern herangetragen werden oder diverse Trinksprüche an der Rampe zum Besten gibt. Das Zepter hält der alternde und des Geizes bezichtigte Familientyrann, der torkelnd, gestikulierend und schreiend diktiert, wie zu sprechen und spielen ist. Vorn an der Rampe leise und und hinten laut. Den persönlichen Auftritt mit der Schilderung seiner Vergangenheit und wie er sich aus ärmlichen Verhältnissen hocharbeiten musste, bekommt er erst nach der Pause. Ansonsten löst Hartmann nun die angedeuteten Dialogszenen gänzlich zu Gunsten des für ihn typischen assoziativen Spiels auf. Das Ensemble tobt zur elektronischen Musik über die großen, als geschwungene Brücke heruntergelassenen Schwingen, die aufgestellt auch noch die Segel für einen hereingeschobenen Schiffsrumpf bilden.   

Engelsflügel, schwarze Kostüme und Zylinder (Kostüme: Adriana Braga Peretzki) tragen die fünf Spielenden bei ihrem ausgelassenen Treiben. Der tote Sohn Eugene schwebt unter den Flügeln in den Bühnenhimmel. Ein farbig bemalter Streifen senkt sich über den weißen Bühnenhorizont. Eine im Gegensatz zu O‘Neill eher frohe Traumabewältigung, die von Simon Werdelis noch einen Nachsatz zur Wirkung der Theaterkunst erhält. Dabei geht es weg von der psychologisch-realistischen Schauspielkunst der Aufklärung eines Iffland hin zur kulturellen Einheit von Mensch und Natur ganz ohne Belehrung. „Das Spiel ist an den lebendigen Körper gebunden“ heißt es zum Beispiel. Und dieses Credo zelebriert der Abend dann auch ausgiebigst unbeschwert in seinem zweiten Teil.'' schreibt Stefan Bock am 23. April 2025 auf KULTURA-EXTRA

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