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Der Auftrag / Psyche 17

Bewertung und Kritik zu

DER AUFTRAG / PSYCHE 17 
von Heiner Müller / Elemawusi Agbédjidji
Regie: Jan-Christoph Gockel 
Premiere: 28. Oktober 2023 
Deutsches Theater Berlin 

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Zum Inhalt: Mit einem geheimen Auftrag soll die Französische Revolution auf die Sklavenhalter-Kolonie Jamaika ausgeweitet werden. Drei Emissäre sind auf dem Weg dorthin, um Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als „Brandfackel der Freiheit“ in die Welt zu werfen. Doch der europäische Werteexport misslingt. Nicht nur, weil die Figuren ihre alten Rollen nicht überwunden haben, sondern auch, weil die gerade frisch entworfenen Werte in Europa selbst nicht reüssieren: Napoleon hat sich zum Kaiser gekrönt.

Der große ostdeutsche Autor und sprachmächtige Geschichtsmetaphoriker Heiner Müller, der in der Vergangenheit immer die Spuren seiner Gegenwart suchte, leistete 1980 mit dem Schreiben des Auftrags poetische Trauerarbeit und zeigte das Scheitern einer Utopie. Und heute? Das europäische Sendungsbewusstsein ist stark angekratzt, findet aber trotzdem – z.B. in Westafrika – kein Ende. Marshall- und Masterpläne werden nach wie vor in den europäischen Hauptstädten entworfen. Aber aus welchen Aufträgen lässt sich wirklich eine gerechte, gemeinsame Zukunft entwickeln?

REGIE Jan-Christoph Gockel
BÜHNE Julia Kurzweg
KOSTÜME Sophie du Vinage
MUSIK UND HÖRSPIEL Matthias Grübel
PUPPENBAU Michael Pietsch
MASKENBAU Claude Bwendua
DESIGN UND HERSTELLUNG KOSTÜM Adeju Thompson
LICHT Matthias Vogel
DRAMATURGIE Karla Mäder

2.5 von 5 Sterne
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DT-Doppel
1 Jahr her.
Kritik

''Dem zuvor noch original von Julia Gräfner als „Mann im Fahrstuhl“ recht anschaulich performten Traumtext wird nach der Pause Elemawusi Agbédjidjis heutige Reflexion für eine schwarze Schauspielerin entgegengestellt. Gockel lässt Isabelle Redfern (in Berlin bisher bekannt aus Schau- und Volksbühne) zunächst im wie immer recht weißen Publikum nach einer passenden Brille suchen, da sie ihre angeblich vermisst. Ein schöner Seitenhieb auf die vorherrschende weiße Sichtweise auf das Thema Kolonialismus und Rassismus. Auch der schwarze Schauspieler Komi Mizraijm Togbonou merkt hier an, dass der Sklave im Stück nicht spricht. Im kleinen Bühnenfahrstuhl begegnen nun Isabelle Redfern alle möglichen westlichen Sichtweisen und Ratschlägen, die ihr von den anderen Ensemblemitgliedern als Reporter, Entwicklungshelfer oder Tourist angeboten werden. Eine Frau auf der Suche nach einer passenden Perspektive. Ein bisschen Slapstick gibt es auch noch, wenn Florian Köhler eine Ode an den Mokkakuchen mit viel Zucker und Kaffee als Kotz- und Schleckarie performt. Man fühlt sich ein ums andere mal nicht nur wegen der Livekameras an Inszenierungen von Frank Castorf erinnert. Der benutzt Müllers Auftrag ja auch immer wieder gern als bevorzugten Fremdtext.

„Das Theater der Weißen Revolution“ wird nun für beendet erklärt. Und da sich die westliche Welt bereits auf dem Weg befindet, den Weltraum zu kolonisieren, um dort die im Asteroiden Psyche17 befindlichen Bodenschätze auszubeuten, verlegt sich das Ganze nun etwas unvermittelt ins All. Whitey on the Moon rappt da Komi Mizraijm Togbonou das Spoken-Word-Poem des US-amerikanischen Jazz-Poeten Gil Scott-Heron. „The Revolution Will Not Be Televised“ möchte man hinterherrufen. Die Aufteilung der Kolonien wie 1884 bei der Berliner Kongo-Konferenz ist schon im vollen Gange, weiß der Text. Dass dieser Asteroid dann auch noch selbst zu Wort kommt und den Menschen mit Umarmung droht, lässt an Müllers Metapher vom „Aufstand der Toten“ als „Krieg der Landschaften“ denken. Die ausgebeutete Natur schlägt zurück. Die Frage, wie man im „Auf-und-Ab“ des Fahrstuhls die richtige Etage findet, bleibt letztendlich offen. Als separater Einzeltext dürfte es Psyche 17 eher schwer haben, in Zusammenhang mit Müllers Stücktext lohnt es sich aber ihn zu lesen.'' schreibt p. k. am 29. Oktober 2023 auf KULTURA-EXTRA

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Postkoloniale Müller-Befragung mit Skullies-Masken und flachem Comedy-Nachklapp
1 Jahr her.
Kritik

In knapp anderthalb Stunden spielt das Ensemble, das zumeist aus Grazer Stammkräften der neuen Intendantin Iris Laufenberg besteht, den Müller-Klassiker nicht einfach nach, sondern beballert ihn mit weiteren Fremdtexten wie Georg Büchners „Dantons Tod“, ironisiert ihn durch betont lächerliche Sprechweisen und findet zu seinem Geschichtspessismismus auch den passenden Soundtrack mit dem leitmotivisch verwendeten The Doors-Klassiker „This is the end“.

Herausragend in dieser ersten Hälfte sind die Skullies-Masken und Ganzkörperkostüme von Claude Bwendua: das Trio der scheiternden Revolutionäre (Julia Gräfner, Florian Köhler und der schon erwähnte Togbonou) kurvt in einem klapprigen alten Auto über die Bühne und wird von den morbiden, zähnefletschenden Gestalten sowie Evamaria Salcher als The Doors-singendem Engel umkreist.

Diese postkoloniale Müller-Befragung mag zwar manchmal mehr durch Ausstattung und Regieeinfälle als durch Tiefenschärfe glänzen, wäre aber für sich genommen ein durchaus sehenswerter, kurzer Abend. Doch nach der Pause muss Gockel noch das sowohl inhaltlich als auch gedanklich dünne Auftragswerk „Psyche 17“ von Agbédjidji abarbeiten. Der Autor nahm den berühmten Traum-Monolog des Manns im Fahrstuhl als Ausgangspunkt und lässt eine Frau namens Mercy auf die Müller-Revolutionäre und einen Kometen treffen. Dieser Teil des Doppel-Abends ist jedoch nicht mehr als ein fader Nachklapp mit kleinen Comedy-Einlagen: so muss Isabelle Redfern auf der Suche nach ihrer Brille minutenlang die erste Reihe abklappern und darf sich über all die schlecht geputzten Gläser mokieren. Bis auf einen mit Szenen-Applaus belohnten Rap, bei dem auch die Skullies noch mal ihren Auftritt haben, plätschert der zweite Teil belanglos vor sich hin.

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