Diese 1791 in Wien uraufgeführte Oper von Wolfgang Amadeus Mozart mit dem Text von Emanuel Schikaneder hat sich über die Jahrhunderte als wahre Volksoper etabliert. Das Geheimnis des Erfolges liegt einfach darin, daß sie jedem etwas bietet, ohne sich anzubiedern. Der schlichte Mann von der Straße, der keine höheren Weihen anstrebt und sein Glas Wein schätzt, wird ebenso zum Mitschwingen gebracht wie der in Geistesgeschichte erfahrene Intellektuelle, der von den Energien freimaurerischer Ideen zu mentaler Läuterung getragen wird.
Die Inszenierungen in den Jahrhunderten seit der Uraufführung sind Legion. Was die Deutsche Oper Berlin in ihrer 329. Vorstellung seit der Premiere 1991 zu bieten hat, ist Anlass zu Freude und Respekt. Die Inszenierung von Günther Krämer wird von der Abendspielleiterin Gerlinde Pelkowsky in federnder Spannung gehalten, so dass sie auf ungezwungene Weise ihre Vorzüge ausspielen kann. Dazu gehören manche Aspekte des Bühnenbildes von Andreas Reinhardt, das erst derjenige zu schätzen weiss, der sich schon durch wesentlich drögere Bühnenversionen der sakrosankten Mozartoper hindurchgequält hat. Hier bekommt von Anfang an das Auge kräftige Akzente zu schauen, auch wenn sie mit Hilfe der zeitgenössischen Technik erreicht werden, die Szene einfach mit mehr Personal zu füllen, als dies früher der Fall gewesen sein mag. Gleich zu Beginn wird die anderswo manches Mal recht schlappe Schlange, die den Prinzen Tamino bedroht, mit Licht-und Projektionstechnik in einen respektablen Lindwurm verwandelt, dessen Schweif inmitten eines Schneegestöbers von einem umfangreichen Bewegungschor getragen wird. Später entzückt ein bildkräftiger Traumgarten das Auge, wenn eine pittoreske Auswahl wilder Tiere durch den Klang der Zauberflöte handzahm wird. Auch die Realisierung der Feuer- und Wasserprobe im zweiten Akt hat den szenischen Reiz, den man von dieser dramaturgisch entscheidenden Passage erwarten darf.
Der zweite Vorzug der Inszenierung liegt darin, dass die musikalischen Erfordernisse konsequent den Vorrang erhalten. Die drei Knaben sind nicht dralle Sängerinnen in Knabenkostüm, sondern drei Solisten aus dem Tölzer Knabenchor, die ihren Part zum Entzücken des Publikums zwanglos und musikalisch wie szenisch erstklassig abliefern. Dazu gehört auch, dass man sie nicht irgendwo im Hintergrund oder gar hinter der Bühne platziert, sondern seitlich vorn oder sogar an der Rampe während der anspruchsvollen Szene mit Pamina, wo der Rat der Knaben sie vom Selbstmord abhält. Die hellen, klaren, aber eben noch relativ zarten Stimmen kommen hier mit der erforderlichen Prägnanz zur Geltung, ohne technische Nachhilfe und mit unverwechselbarem Klangcharakter.
Rund um die lebensberatenden Knaben herum ein treffend besetztes Ensemble, an der Spitze Tobias Kehrer als Oberpriester Sarastro. Seine baritonale Bassfärbung gibt der Rolle einen vergleichsweise jugendlichen Ton, der aber nicht der mehrfach benötigten dunklen Tiefen entbehrt. Seine Adlaten Sprecher (Derek Welton), Erster Priester (John Carpenter) und Zweiter Priester (Paul Kaufmann) bewähren sich als Hüter des Tempels und seiner Prüfungen. Bei der Feuer-und Wasserprobe zeichnen sich die beiden Geharnischten (Robert Watson und Alexei Botnarciuc) durch klare Ansagen selbst aus der Tiefe der Bühne aus. Königin der Nacht ist mit Bravour die finnische Sopranistin Tuuli Takala, die in Dresden auch schon als Papagena aufgetreten ist. Die erste und ganz besonders die zweite Arie der Königin der Nacht überzeugen durch sicher gesetzte Spitzentöne. Die drei Damen der Königin (Adriana Ferfezka, Irene Roberts und Judit Kutasi) wetteifern mit Hingabe um die Gunst des „schönen Jünglings“ Tamino (Attilio Glaser), der sowohl seine Bildnisarie wie die Prüfungen im Weisheitstempel mit lyrischem Schmelz absolviert. Ihm zur Seite Pamina (Siobhan Stagg), mit schön geführtem Sopran um die Liebe des Prinzen ringend. Absoluter Publikumsliebling ist der Papageno von Markus Brück, der in konsequenter Clownsmaske agiert und den Proszeniumsparcours für zahlreiche burleske Improvisationen nutzt, darunter auch eine kleine tagesaktuelle Verbeugung zum Orchesterraum und einem verdienten Bratschisten, der anschließend in den Ruhestand überwechselt. Papageno preist die irdischen Freuden, so auch den Wein, bis er schließlich mit seiner überaus spielfreudigen Papagena (Alexandra Hutton) vereint ist, nachdem die ihre irreführende Hexenmaske abgelegt hat.
Emanuel Schikaneders Textbuch enthält manche Sentenz, die wir heute als frauenfeindlich oder gar rassistisch bezeichnen würden(Mohr Monostatos: Gideon Poppe) ohne dass der weise Sarastro diese Schroffheiten ganz auszugleichen vermag. Ein Zugeständnis aus aktueller Toleranz erleichtert es aber dem heutigen Publikum , diese Textstellen als einen Akt der Denkmalpflege hinzunehmen.
Am Pult leitet der junge Ido Arat die Aufführung mit geschmeidiger Gestik, seit dieser Spielzeit Assistent von Generalmusikdirektor Runnicles. Sein Orchester folgt ihm anfangs etwas schwerblütig, gewinnt aber im Laufe des Abends sehr an Präzision und Klangschönheit. Die von Thomas Richter einstudierten Chöre sind punktgenau und volltönend zur Stelle.
Der Lohn ist reicher Applaus für alle Mitwirkenden von den drei Knaben über die Königin der Nacht bis zu Sarastro und seinen Tempelwächtern, und auch dem Orchester gilt der ausdrückliche Dank des Publikums.
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