KLARA in «Musik» II.

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    1. Bild: Bei Nacht und Nebel, 3. Szene

    Klara und der Gesangspädagoge Josef Reißner. 

    Möbliertes Zimmer mit Klavier; im Hintergrund ein Alkoven. Auf dem Tisch brennt eine Lampe. Daneben liegt eine gepackte Reisetasche.

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    KLARA: (auffahrend) Wenn ich daran zurückdenke, mit welchen Hoffnungen ich vor einem Jahr auf das hiesige Konservatorium kam! Allmächtiger Gott! Zu Hause der Abschied von meiner in Tränen aufgelösten Mutter! Aber keine Macht der Welt hätte mich von meinen künstlerischen Zielen abgelenkt! Die Liebe zu meiner Kunst war mir meine Religion! Ein höheres Gebot gab es in dieser Welt nicht für mich, als die seltenen Gaben, die mir unter Tausenden durch die Gnade des Himmels zuteil geworden, zur allerhöchsten Vervollkommnung auszubilden! Und mich brachte ich meiner Kunst so frei, so rein, so unangetastet als Einsatz dar. Ich brachte ihr alles, was sich in der kindlichen Knechtschaft an Seelenstärke, an innerlichen Erlebnissen in mir aufgespeichert hatte! Und dann die ersten Wochen am Konservatorium! Welch ein herrliches, feuriges Ringen! Wie wuchs da mit jedem Tage die Zuversicht! Je unüberwindlicher sich die Arbeit vor einem auftürmte, um so mächtiger wurde der Stolz, um so fröhlicher, um so freudiger war das rastlose Streben! Wenn ich daran zurückdenke! Allmächtiger Gott! Allmächtiger Gott! Wenn ich an diese Zeiten zurückdenke! [...] Da kamst du! Kamst mit deinem unwiderstehlich schönen Fliegendenholländerbart! Spottetest über das Konservatorium, an dem du Lehrer bist! Sagtest, ich käme, wenn ich bei dir Privatunterricht nähme, in einem Vierteljahr weiter, als wenn ich mein ganzes Leben lang auf der Musikschule studiere! Benutztest jede Stunde, die ich mit meinen Mitschülerinnen bei dir war nur dazu um mir den Unterricht am Konservatorium als den sicheren Tod meiner Stimme hinzustellen! – Und wie sollte ich dir das alles nicht glauben, wo es sich doch um ein Institut handelte, das dich selber als Lehrer bezahlte! So kam ich denn schließlich um meine Entlassung ein und wurde deine – Privatschülerin! – Gelernt habe ich vieles bei dir, das weiß Gott im Himmel! Dein Privatunterricht hat Abgründe vor mir aufgetan, von deren Vorhandensein ich mir vorher nichts hatte träumen lassen! Ob ich im Lauf dieses Jahres am Konservatorium in meinen Musikstudien nicht vielleicht doch weitergekommen wäre? Ich will das nicht entscheiden. Ich weiß nur eines, was in diesem Augenblick unumstößlich feststeht: Weit ist es mit mir gekommen! [...] (beginnt irre zu reden) Ja, Geliebter! Gehen wir doch zu meiner Mutter! Es ist ja so selbstverständlich, daß wir zu ihr gehen! Du bist ja doch mein Mann, Josef! Wird die eine Freude haben, meinen Mann kennen zu lernen. (Ihn stürmisch umarmend) Josef, Josef! Du bist mein Mann! Ich bin dein Weib, mein Geliebter! Bin ich es vielleicht nicht?! – (schmeichelnd) Komm, gehen wir zu meiner Mutter. Meine Mutter gibt uns ihren mütterlichen Segen, und dann fahren wir mit einem Schnelldampfer nach Amerika hinüber! Durch unserer Hände Arbeit, Josef, können wir in Amerika reich werden. Wir können uns das herrlichste Leben schaffen! [...] (sinkt weinend in einen Sessel) In Tränen aufgelöst beschwor sie mich, mein Lebensglück nicht auf meinen unüberwindlichen Größenwahn zu setzen. Du, mein Kind, willst eine berühmte Sängerin werden. Du. Mit deinem Gesicht. Um eine berühmte Sängerin zu werden, rief sie, muß man andere Nerven haben, als du von deinen Eltern geerbt hast. Dazu gehört eine Pferdemagen, von dem wir uns in der Schweiz keine Vorstellung machen! Dazu muß man über Leichen gehen können! – Sie hatte recht! Sie hatte recht! Und ich in meinem hirnwütigen Größenwahn glaubte ihr nicht! Ich habe sie ausgelacht! Meiner lieben braven Mutter schenkte ich in meiner wahnwitzigen Selbstüberhebung keinen Glauben! (Verzweifelt aufspringend) Könnte ich Dirne jetzt wenigstens vor sie hintreten und sagen: Ja. Ich habe mich überschätzt! Du hattest recht, Mutter. Ich bin keine Sängerin! Ich bin zu spießbürgerlich, ich habe zuviel Ehrgefühl, um eine wirkliche Sängerin zu werden! Aber nicht einmal das kann ich! Fort in Nacht und Nebel! Fliehen muß ich! Über die Grenze muß ich! Meine Kunst, meine Mitschülerinnen, meine Freunde, alles muß ich fliehen! Und dich muß ich fliehen! Dich, Josef! Das ist das Entsetzlichste! Dich, dem ich mein ganzes Elend verdanke! Dich, den ich liebe, wie ich mir irgend etwas auf Erden lieben zu können niemals träumen ließ! (Ihn umarmend) Wie soll ich denn ohne dich, Josef, leben! Sage es mir, Josef, wie ich mir ohne dich helfe! [...] (von ihm ablassend). Sie sagte: »Du kannst dich auf einen Wettkampf mit den abgefeimtesten internationalen Abenteuerinnen nicht einlassen, ohne dabei deine Ehre aufs Spiel zu setzen . . .« [...] (ihm folgend). Wenn die eine Ahnung hätte, worauf ich mich habe einlassen müssen. (Beide ab)

     

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