Wie bei Jürgen Gosch ist das sehr unübersichtliche Figuren-Personal aus Dostojewskis Roman-Wälzer <Der Idiot> von Beginn an im Hintergrund der ansonsten leeren Bühne präsent. Skeptisch beäugen sie den Neuankömmling Prinz Myshkin (David Dencik), der mit seiner großherzigen Naivität und seiner christlichen Nächstenliebe der Gegenpol zu ihren Machtspielen, Intrigen und kühl berechneten Heirats-Arrangements ist.
Fast zwei Stunden lang lässt Mattias Andersson seine Spieler*innen die Grundkonflikte des ausufernden Dostojewski-Romans nachzeichnen, schlägt dann aber den Bogen zur unmittelbaren Gegenwart: Ein Flüchtling hat schon zuvor mehrere kurze Auftritte und greift in der letzten halben Stunde in das Geschehen ein. In dieser auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 entstandenen Inszenierung konfrontiert er die Dostojewski-Figuren und das Publikum mit der Frage, welches Verhalten in dieser Krise moralisch richtig ist, und prangert die Abschottung an.
Leitartikelhaft und im soziologisch-kulturwissenschaftlichen Jargon tauschen sich die Spieler*innen nun über „White Privilege“ und die Globalisierung aus, bevor die Inszenierung mit einem kitschigen Schlussbild endet: der Fürst Myshkin sitzt in einer großen Gruppe von Schüler*innen des Sundbyberg Theater Studio.
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